25 Jahre Nagelkreuz auf Hiddensee: Symposium „Sehnsucht nach Frieden und Wege dahin“
Seit 25 Jahren gehört die Kirchengemeinde Kloster zur Nagelkreuzgemeinschaft. Im April 1999 erhielt sie das Nagelkreuz. Dieses Jubiläum bot Anlass zu einem Symposium, das am Wochenende nach Ostern in Kloster auf Hiddensee zum Thema: „Sehnsucht nach Frieden und Wege dahin“ stattfand. Etwa 60 Teilnehmende kamen aus verschiedenen Nagelkreuzzentren zusammen und gingen der Frage nach, wie die Kriege unserer Zeit uns im Denken und Handeln herausfordern. Welche Schritte auf dem Weg des Friedens können wir gehen? Welche Möglichkeiten und Aufgaben haben wir?
Eine erste Antwort gab Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau, in der voll besetzten Inselkirche. Er berichtete über Hintergründe des Krieges Russlands gegen die Ukraine und stellte fest: Wenn wir nicht die Zuversicht haben, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen, dann werden wir es auch nicht tun. Wir müssen uns unserer Stärken bewusst sein.
Zuversicht und Hoffnung! Wie gewinnen wir sie? Durch eine Kultur des Erinnerns, betonte Oliver Schuegraf, Vorsitzender der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V. Wir müssen uns von Geschichten gelingender Versöhnung tragen lassen und das Nagelkreuz ist eine solche Geschichte. 1940, als deutsche Bomber die englische Stadt Coventry und ihre Kathedrale zerstört hatten, verzichtete der damalige Propst Richard Howard auf Vergeltungsrhetorik. Stattdessen rief er auf, zu Versöhnung offen zu bleiben. „Vater vergib!“. Diese Worte schrieb er an den Altar und aus dem zerbombten Gebälk fügte er Nägel zu einem Kreuz zusammen. So schuf er ein Symbol, das die Friedensbotschaft Jesu in besonderer Weise als Zentrum des christlichen Glaubens vergegenwärtigt. Wege wurden vorbereitet, die nach Ende des Krieges begehbar waren und die Menschen aus verfeindeten Ländern wieder zusammenbrachten. Es wuchs ein Netzwerk für Frieden und Versöhnung mit heute über 250 Nagelkreuzzentren weltweit – 70 davon in Deutschland. Ihr Leitbild ist es, Wunden der Geschichte zu heilen, mit Unterschieden zu leben sowie eine Kultur des Friedens und der Gerechtigkeit zu schaffen.
Schuegraf stellte die Frage, ob es Zeiten und Situationen gibt, an denen die Suche nach Frieden und Versöhnung nicht durchdringen kann, bzw. noch schärfer: An denen vielleicht die Forderung nach Frieden und Versöhnung gar nicht angemessen ist? Sollte es solche Zeiten geben, was ist dann in der Zwischenzeit? In Gesprächsgruppen und in einem Podiumsgespräch wurde darüber nachgedacht. Disputanten waren der sächsische Kirchenzeitungsredakteur Stefan Seidel – gerade hat er sein Buch „Entfeindet Euch“ publiziert –, der ehemalige UN-Sonderbeauftragte Martin Kobler und der Agrarwissenschaftler Joachim von Braun, u. a. stellvertretender Präsident der Welthungerhilfe. Betont wurde, dass Krieg in Köpfen von Menschen entsteht und auch nur dort sein Ende findet. Wichtig sei es, in einer Zeit, in der die öffentliche Debatte zunehmend von Kriegsrhetorik geprägt ist, auch eine Sprache des Friedenswillens wach zu halten. Nie dürfe aufgegeben werden, das Gespräch selbst mit Kriegstreibern zu suchen. Es gehört zur Friedensverantwortung, dies immer und immer wieder zu tun. Irgendwann werden auch Feinde wieder zusammenleben müssen. Opfer müssen Tätern vergeben, Täter müssen zur Sühne bereit sein. Vergebung und Versöhnung – im Wissen darum, dass Schuldzusammenhänge umfassend sind, können sie gelingen. Zugleich gilt: Frieden, der nicht nach Gerechtigkeit fragt, kann es nicht geben. Ein Wertekanon, an dem Schuld benennbar und in ihrer Schwere unterscheidbar bleibt, ist unverzichtbar. Um ihn gilt es zu streiten. Internationales Recht muss gelten und Umsetzung finden.
Waffen liefern – ja oder nein? In die Ukraine? Nach Israel? Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Einigkeit bestand im Wissen darum, dass jede mögliche Entscheidung mit Schuld verbunden ist. Und dass uns nichts von der Verantwortung entbindet, für Frieden und Versöhnung einzustehen. Wichtig ist es, sich in der Sehnsucht nach Frieden vereint zu wissen. Und im Gebet verbunden zu sein: „Vater vergib!“
Autor: Dr. Konrad Glöckner