Nachrichten der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V. zu Nagelkreuzverleihungen

Drei neue Nagelkreuzzentren in sechs Tagen

Seit dem 26. Oktober stehen drei weitere Nagelkreuze in Deutschland. Foto: Karsten Socher

Eine Woche, drei Orte, drei Gottesdienste – und drei neue Nagelkreuze. Ende Oktober ist die deutsche Nagelkreuzgemeinschaft sichtbar gewachsen: Kassel, Frankfurt am Main und Stutensee-Weingarten gehören nun zu unserem weltweiten Versöhnungsnetzwerk. Canon Kate Massey und Richard Parker brachten die Kreuze persönlich von Coventry nach Deutschland. Die Liturgie der Übergabe war an allen drei Orten dieselbe. Alles andere nicht. In Kassel fiel die Aufnahme mit dem Jahrestag der Bombennacht von 1943 zusammen. In Frankfurt fand sie in der Alten Nikolaikirche am Römerberg statt, wenige Schritte von Paulskirche und Römer entfernt. In Stutensee-Weingarten stand die Erinnerung an die Bombardierung vom 2. Februar 1945 im Mittelpunkt, bei der Menschen in den Dörfern ebenso ums Leben kamen wie eine britische Bomberbesatzung. Entsprechend der Geschichte der Orte und Fragen, die dort gestellt werden, unterschieden sich Musik, Gebete und Worte. Was die drei Gottesdienste verband, war der öffentliche Empfang des Nagelkreuzes, verbunden mit einem feierlichen und würdigen Bekenntnis zu Frieden und Versöhnung.

Gottesdienst in der Martinskirche Kassel. Foto: Karsten Socher

Kassel: Aufnahme am Jahrestag der Bombennacht

Am 22. Oktober erhielt die Martinskirche Kassel ihr Nagelkreuz – am Jahrestag der Bombennacht von 1943, in der über 10.000 Menschen starben. Die Kirche wurde damals schwer getroffen, zerbrach mit der Stadt und wurde später zum zentralen Erinnerungsort. Der Tag der Übergabe verband so Vergangenheit und Gegenwart auf besondere Weise.

Der ökumenische Gottesdienst war reich an Musik, kunstvoll mitgestaltet von der Kantorei St. Martin unter der Leitung von Eckhard Manz. Johannes Brahms’ Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ ließ die Klage Hiobs hörbar werden. Wolf Biermanns „Wann ist denn endlich Frieden?“ stellte die Frage nach dem Ende der Gewalt mit scharfem Nachdruck. Choräle wie „Die Nacht ist vorgedrungen“ und „Freunde, dass der Mandelzweig“ gaben der Gemeinde Stimme für Hoffnung und Zukunft.

Kantorei St. Martin Kassel. Foto: Karsten Socher

Viele Mitwirkende prägten die Feier: Bischöfin Beate Hofmann, Stadtdekan Michael Glöckner, Pastoralreferent Stefan Ahr, Kirchenrat Hans Helmut Horn und Oberbürgermeister Sven Schoeller. Grußworte kamen von der Kulturplattform St. Martin und von der Nagelkreuzgemeinschaft. Die Predigt hielt Kate Massey.

Unter der Überschrift „Unser Weg nach Coventry“ sprach die Gemeinde selbst: Rafael Gleichmann, ein Konfirmand, erzählte von Streit und Versöhnung im Alltag. Prof. Ingrid Lübke, Kirchenvorsteherin, erinnerte an ihre Nachkriegskindheit und an Erfahrungen der Versöhnung mit Frankreich. Zwei Generationen, zwei Stimmen – beide machten deutlich, dass das Nagelkreuz nicht nur Zeichen, sondern Auftrag ist. Ihre Gedanken können Sie [hier] nachlesen.

Besonderer Bestandteil des Gottesdienstes war das Gedenken an die Bombennacht. Die Osanna-Glocke, die 1943 zerbrach und später neu gegossen wurde, erklang. Während ihres Läutens hielt die Gemeinde in Stille inne. Dass sie heute wieder läutet, ist ein starkes Zeichen: Zerstörung hat nicht das letzte Wort. Wie in Coventry wird Erinnerung hier selbst zum Beginn neuer Hoffnung.

Kate Massey, Antje Biller, Andrea Braunberger-Myers und Richard Parker (v.l.n.r.) in Frankfurt. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Die Martinskirche knüpft an das Erinnern auch Konsequenzen: Ökumenische und interreligiöse Gottesdienste, Engagement im Kirchenasyl, ein „Tisch für alle“ auf dem Martinsplatz, Veranstaltungen zum Tod von Walter Lübcke.

Frankfurt: Ein Nagelkreuz am Römerberg

Zwei Tage später wurde die Evangelische Sankt-Pauls-Gemeinde Frankfurt am Main in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Ort der Feier war die Alte Nikolaikirche am Römerberg – ein Platz, an dem sich deutsche Geschichte wie unter einem Brennglas bündelt. 1933 wurden hier Bücher verbrannt, in den Bombennächten brannte die Altstadt, gleich nebenan die Paulskirche, Symbol der Demokratie. Inmitten dieses Gefüges steht die Nikolaikirche – seit Jahren täglich geöffnet, eine offene Stadtkirche im Strom der Stadt.

Die Liturgie nahm diesen Ort ernst. Die Versöhnungslitanei von Coventry wurde gebetet, wo Frankfurt seine eigenen Schuldgeschichten kennt. In ihrer Predigt spannte Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers den Bogen vom einfachen Nagel – der verletzen kann, aber auch verbindet und trägt – zur Geschichte Coventrys und zu Jesaja 55: Gottes Wort kommt nicht leer zurück, sondern hat den Auftrag, Frieden und Versöhnung zu schaffen. Daraus leitete sie für die Evangelische Sankt-Pauls-Gemeinde Frankfurt am Main einen klaren Auftrag hier am Römerberg ab: Schuld benennen, Antisemitismus und Rassismus entgegentreten, für Menschenrechte einstehen und die demokratische Verantwortung der Paulskirche wachhalten. Den Wortlaut der Predigt können Sie [hier] nachlesen.“

Auch die Musik setzte Akzente. Charles Wesleys „Jesus, lover of my soul” aus dem 18. Jahrhundert sang von Zuflucht im Sturm – ein Bild, das sich in einer Stadt, die Krieg und Zerstörung erlebt hat, sofort erschließt. Am Ende erklang John Rutters „The Lord bless you and keep you”. Der alte Segensspruch Israels, neu vertont, wurde zu einer Zusage, die über den Gottesdienst hinausreichte. Gesungen wurde in deutscher und englischer Sprache – auch das ein starkes Symbol für die Verbundenheit über Völker und Nationen hinweg.

In Stutensee-Weingarten wurden gleich zwei Nagelkreuze übergeben. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Mit dem Kreuz von Coventry wurde die Sankt-Pauls-Gemeinde in dem bestätigt, was hier längst geschieht: Erinnerung an die Bombennächte und die verbrannten Bücher, Stolpersteinführungen, das Projekt „Beim Namen nennen“, das die Toten im Mittelmeer ins Gedächtnis ruft. Offene Kirche, tägliche Andachten, musikalische Vespern – mitten in der Stadt, im Gespräch mit ihrer Geschichte.

Stutensee-Weingarten: Zwei Kreuze für eine Region

Am 26. Oktober schließlich nahm der Evangelische Kooperationsraum Stutensee-Weingarten das Nagelkreuz in Empfang. Gefeiert wurde in der Michaeliskirche in Blankenloch, einem der Zentren des Zusammenschlusses mehrerer Gemeinden nördlich von Karlsruhe. Canon Kate Massey übergab gleich zwei Kreuze: eines bleibt in Blankenloch, das andere geht als Wandernagelkreuz nach Staffort.

Die Geschichte, die diesen Ort prägt, reicht zurück in die Nacht vom 2. Februar 1945. Eigentlich galt der Angriff Karlsruhe, doch durch verwehte Markierungen trafen die Bomben Staffort-Büchenau und umliegende Dörfer. Menschen starben, Häuser brannten, auch eine britische Bomberbesatzung kam ums Leben. Bis heute erinnert eine Gedenktafel an sie – Ausdruck einer Haltung, die nicht nur das eigene Leid im Blick behält, sondern auch das der anderen.

Gottesdienst in der Alten Nikolaikirche in Frankfurt a. M. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Diese Bereitschaft, an die ganze Geschichte zu erinnern, ist zum Markenzeichen der Gemeinden geworden. Sie pflegen seit Jahren Kontakte nach England, haben Pilgerfahrten nach Coventry unternommen und den Austausch mit Stafford gesucht. Versöhnung bleibt hier nicht abstrakt, sondern konkret: in Begegnungen über Grenzen hinweg, in Gedenkfeiern, die Opfer und Täter gleichermaßen benennen.

Darum war es folgerichtig, dass Stutensee-Weingarten ein Nagelkreuz erhielt. Pfarrer Holger Müller hatte die Verbindung zur Gemeinschaft schon länger als Einzelmitglied getragen. Nun ist aus der persönlichen Beziehung ein gemeinsames Zeichen geworden, das die ganze Region einschließt. Dass ein Kreuz bleibt und das andere wandert, macht sichtbar: Versöhnung ist nicht an einzelne Orte gebunden, sondern ein Projekt vieler Gruppen und Gemeinden.

Wachsende Gemeinschaft

Canon Kate Massey aus Coventry. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Mit Kassel, Frankfurt und Stutensee-Weingarten sind in nur einer Woche drei neue Nagelkreuzzentren hinzugekommen; in den vergangenen zwei Jahren waren es insgesamt neun. Das zeigt, wie lebendig die Botschaft des Nagelkreuzes in Deutschland ist – und wie vielfältig die Orte sind, an denen sie Gestalt gewinnt: von der Großstadtkirche bis zum Dorf, von historischen Erinnerungsstätten bis zu Gemeinden, die im Alltag Türen offenhalten.

Dass diese Orte nun Teil der Gemeinschaft sind, ist das Werk vieler: Pfarrerinnen und Kirchenvorsteher, Chöre und Ehrenamtliche, Gemeindeglieder, die Texte vorbereitet, Kerzen entzündet und Lieder gesungen haben. Sie alle tragen die Überzeugung, dass Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben dürfen – wie die vielen Menschen weltweit, die mit einem Nagelkreuz in ihren Kirchen und Herzen für Frieden und Versöhnung eintreten.

Auf der Mitgliederversammlung im November in Münster wird es Gelegenheit geben, die neuen Zentren kennenzulernen und erste persönliche Beziehungen mit den „Neuen“ zu knüpfen.

Autoren: Niels Faßbender, Christian Roß

 

Ein Nagel, der hält – Predigt zur Aufnahme der Sankt-Pauls-Gemeinde Frankfurt am Main in die Nagelkreuzgemeinschaft

Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Am 24. Oktober 2025 hat Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers in der Alten Nikolaikirche am Römerberg, Frankfurt am Main, im Festgottesdienst zur Übergabe des Nagelkreuzes von Coventry an die Evangelische Sankt-Pauls-Gemeinde gepredigt. Ausgangspunkt der Predigt ist ein einfacher Nagel: ein Gegenstand, der verletzen kann – und der, einmal eingeschlagen, trägt, hält und verbindet. Von dort schlägt die Predigt den Bogen nach Coventry 1940, zur Entstehung des Nagelkreuzes und zur Bitte „Vater, vergib“, bis hin zu Jesaja 55. Sie versteht die Aufnahme in die Nagelkreuzgemeinschaft als öffentlich ausgesprochene Verpflichtung: zur Erinnerung an die Kriege, die von Deutschland ausgingen, zum Eintreten gegen Antisemitismus und Rassismus heute, zur Verteidigung der Menschenwürde und zur Wachhaltung demokratischer Verantwortung – in unmittelbarer Nähe der Paulskirche. Eine Zusammenfassung der Gottesdienste in Frankfurt, Kassel und Stutensee-Weingarten und Hintergründe zur Aufnahme der neuen Nagelkreuzzentren finden Sie [klick-hier] auf unserer Seite. Nachfolgend dokumentieren wir die Predigt.

Dear Canon Kate Massey, dear Richard Parker, our honored guests from Coventry,

liebe Gäste aus der Nagelkreuzgemeinschaft, und alle zusammen: Liebe Gemeinde!

Ich habe Ihnen meine Nägelbox mitgebracht. Normalerweise steht sie im Schrank bei Hammer und Zange und Schraubenzieher. Eine kleine Kiste voller Nägel, alle aus Metall, länger, kürzer, dicker, dünner – je nachdem, was man halt so braucht, um etwas festzunageln. Manche Nägel sind sehr spitz, andere etwas stumpfer. Alle noch unbenutzt, unverbogen und ohne Rost. Wenn ich einen Nagel in der Hand halte, weiß ich: Das ist ein Nagel, weil ein Nagel eben so aussieht – kleiner metallener Kopf, langer Schaft. Aber richtig Sinn macht ein Nagel erst, wenn er benutzt wird, wenn man ihn in die Hand nimmt und mit dem Hammer in die Wand schlägt. Möglichst ohne sich zu verletzten. Denn so ein Hammerschlag auf den Daumen oder Zeigefinger tut höllisch weh. Überhaupt, an so einem unscheinbaren Nagel kann man sich schwer verletzen: Sind Sie schon einmal barfuß in einen Nagel getreten? Oder haben sich einen Nagel versehentlich in die Hand getrieben? Oder Sie haben sich an einem rostigen alten Nagel gerissen und eine Blutvergiftung riskiert? Das sind Verletzungen, mit denen man lange zu tun hat. So ein Nagel kann ein gefährliches Instrument, ja eine Waffe sein.

Ist der Nagel aber erst einmal in die Wand oder die Tür oder ein Brett geschlagen, dann ist er ein unverzichtbarer Bestandteil des Ganzen. Ein Nagel mit Öse befestigt das Bild an der Wand. Ein oder mehrere Nägel halten das Regal oder den Schrank oder das Bett zusammen. Am Nagel in der Werkstatt hängt der Gartenkittel oder die Säge oder der Wasserschlauch. So ein Nagel ist deshalb seit Jahrtausenden ein äußerst nützliches Utensil, das Halt gibt, zusammenhält und für Ordnung sorgt.

14./15. November 1940: Die deutsche Wehrmacht bombardiert das mittelenglische Coventry. Weite Teile der historischen Altstadt fallen den Angriffen zum Opfer. Auch die gotische Kathedrale St. Michael. Unmittelbar nach der Zerstörung von Stadt und Kathedrale setzt das Domkapitel in Coventry auf Versöhnung statt Vergeltung. Das hätte auch anders kommen können: Bis heute rufen leider auch Geistliche aller Religionen zum Krieg auf, um Rache auszuüben und nationale oder religiöse Interessen zu verfolgen.

Anders 1940 an der Kathedrale von Coventry: Aus drei mittelalterlichen Zimmermannsnägeln, die verbrannt im Schutt der zerstörten Ruine gefunden wurden, formte man ein Kreuz – das ursprüngliche Nagelkreuz von Coventry, als Symbol der Hoffnung und des Glaubens in Unheilszeiten. Denn das ist es schon immer gewesen, das Kreuz, Symbol der Hoffnung und des Glaubens! Seit jenem Tag in Jerusalem, als Jesus Christus an einem Kreuz starb und zumindest einer der Evangelisten, Lukas, als letzte Worte Jesu überliefert (Lukas 23,14): „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Und mehr noch, viel mehr: Drei Tage später erstand Jesus von den Toten und gehört seitdem zu den Lebenden. Das sprach sich erst langsam, tastend, zögernd herum, dann immer schneller und kräftiger: Jesus lebt und wir, die wir zu ihm gehören, mit ihm! Das Kreuz wurde das Symbol der Christenheit, weltweit bekannt und erkannt. Wenn tagtäglich Touristen unsere Alte Nikolaikirche durch die offene Tür betreten, erkennen sie mit einem Blick zum Altar, wo sie sind, nämlich in einer christlichen Kirche. Das Kreuz zeigt es ihnen.

Dompropst Howard ließ 1940 die Worte Father, forgive („Vater, vergib“) in die Ruinen des gotischen Chores der Kathedrale einmeißeln. „Vater, vergib“: Diese Worte stellen heute den Kern der Versöhnungslitanei von Coventry dar, auf die sich alle Mitglieder der Nagelkreuzgemeinschaft verpflichtet haben – und wir als Paulsgemeinde ab heute auch. Wir haben das Gebet eben schon gehört und mitgebetet. Es ist zukünftig in der Nagelkreuzecke an der Südwestseite unserer Kirche nachzulesen und gerne mitzubeten.

Jedes Kreuz, auch das Nagelkreuz, orientiert sich am Kreuz Jesu Christi. Der Gedanke der Vergebung und der Versöhnung im Namen Gottes aber stammt aus der hebräischen Bibel und ist viele hundert Jahre älter, nachzulesen etwa im Buch des Propheten Jesaja – Jesaja 55,6-13: „Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt sie wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem Herrn soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.“ (Lutherübersetzung 2017)

Eine große Friedensvision, die die ganze Welt umfasst – auch die Ukraine, den Sudan und Israel und Palästina und ihre Nachbarländer! Eine Welt, in der die Waffen endgültig schweigen, in der alle genug zum Leben haben, in der die Natur buchstäblich jubelt vor Freude und die Menschen sich vom Wort Gottes ernähren. Genau darum geht es in der Nagelkreuzgemeinschaft, die inzwischen weltweit über 300 Zentren zählt und in dieser Woche in Deutschland um drei weitere Zentren wächst. Und darauf wollen wir uns verpflichten, wenn wir heute als St. Paulsgemeinde in Frankfurt der Nagelkreuzgemeinschaft beitreten: auf ein ehrliches Gedenken in Frankfurt an die Kriege, die Deutschland verursacht und blutig gegen andere geführt hat, auf das Eintreten gegen Antisemitismus und Rassismus heute, auf den mitfühlenden Blick gegenüber leidenden Menschen, auf Standhaftigkeit, wenn Menschenrechte verletzt werden, auf das ständige Erinnern an die schon 1848 in unserer Frankfurter Paulskirche formulierten demokratischen Regeln des Zusammenlebens.

Deshalb: Vater, vergib!

Also nicht um der eigenen Ehre willen, sondern „zum Ruhm und zur Ehre Gottes, und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.“ (Jesaja 55, 13) Das sog. Stuttgarter Schuldbekenntnis, dessen 80. Jahrestag wir am letzten Wochenende begangen haben, war 1945 ein erster und aus heutiger Sicht unzureichender Versuch, das Versagen der Ev. Kirche im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu benennen und zu bekennen. Der erste Kirchenpräsident unserer Ev. Landeskirche in Hessen und Nassau, Martin Niemöller, hat daran mitgewirkt. Er hat auch diese Alte Nikolaikirche nach ihrer Sanierung von Kriegsschäden im Januar 1949 wieder eingeweiht. Im Stuttgarter Schuldbekenntnis heißt es u.a.: „…wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“ Und ja, das alles müssen wir leider bis heute lernen, als Christen und Christinnen in Frankfurt und in Deutschland und in der weiten Welt: genauer hinsehen, Schuld mutiger bekennen, treuer und stetiger beten, fröhlicher glauben, vorbehaltloser lieben.

Deshalb: Vater, vergib!

Das Nagelkreuz von Coventry soll uns hier an diesem Ort ab jetzt stetige Erinnerung und Mahnung, auch Aufforderung dazu sein, für heutige und zukünftige Generationen. Daran machen wir uns fest wie an einem professionell in die Wand geschlagenen Nagel, der Halt gibt und ordnet und zusammenhält. Und Gottes Wort in Jesus Christus, das wir hören und beten und tun, wird nicht leer zu uns zurückkommen. Sondern ihm wird gelingen, wozu Gott es gesandt hat, zu Frieden und Versöhnung.

Deshalb: Vater, vergib!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Autorin: Andrea Braunberger-Myers, Pfarrerin

 

Was Versöhnung bedeutet – zwei Stimmen aus Kassel

Rafael Gleichmann. Foto: Karsten Socher

Zwei Stimmen, zwei Generationen, zwei Blickwinkel: Der eine erzählt aus der Erfahrung des Alltags – von Streit, Missverständnissen und der manchmal schwierigen Suche nach einem neuen Anfang. Die andere spricht mit der Erinnerung an Krieg und Zerstörung und mit der Hoffnung auf eine friedlichere Welt. Bei der Nagelkreuzübergabe in Kassel berichteten Konfirmand Rafael Gleichmann und Kirchenvorstandsmitglied Prof. Ingrid Lübke im Gedenk- und Festgottesdienst, was sie sich unter Versöhnung vorstellen. Gemeinsam zeigen beide Texte, dass Versöhnung weder abstrakt noch fern ist, sondern mitten in unserem Leben geschieht – heute, hier und jetzt. Anschließend sind ihre Texte dokumentiert. Einen Bericht über die Nagelkreuzübergabe finden Sie [klick-hier].

Rafael Gleichmann

Streiten mag ich gar nicht und ich bin auch nicht der Typ dafür. Aber manchmal passiert es einfach. Ein falsches Wort, oder ein blöder Blick – und schon ist schlechte Stimmung. Das ist nicht schön und ich fühle mich auch nicht gut dabei.

Dann möchte man sich wieder vertragen, aber das ist manchmal ganz schön schwierig. Die Sichtweisen und Standpunkte sind dann vielleicht verschieden, man muss aber zueinander finden oder Kompromisse schließen. Dazu muss man miteinander reden. Oder manchmal redet man eine gewisse Zeit nicht miteinander und plötzlich sieht die Welt ganz anders aus. Das Problem ist gar nicht mehr so wichtig und man kann es mit wenigen Sätzen klären.

Versöhnung heißt für mich, den ersten Schritt zu machen – oder wenigstens offen zu sein, wenn der andere ihn macht. Das ist gar nicht so einfach. Ich glaube, Versöhnung bedeutet nicht, dass man alles vergisst oder so tut, als wäre nichts passiert. Es heißt eher, dass man bereit ist zuzuhören, zu verstehen und loszulassen. Und vielleicht lernt man dabei sogar etwas über sich selbst. Zum Beispiel, dass man Fehler zugeben kann. Oder dass man jemanden wirklich gern hat – trotz allem.

Ich finde, die Welt wäre viel besser, wenn mehr Menschen sich versöhnen könnten. So wie Kinder und Jugendliche könnten auch Erwachsene, Religionen und sogar Länder aufeinander zugehen. Man muss nicht beste Freunde werden, aber dem Gegenüber respektvoll zu begegnen, wäre gut für alle Menschen. Es gäbe weniger Krieg und mehr Frieden.

Versöhnung ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil – es zeigt Stärke. Und vielleicht auch ein bisschen Mut.

Ingrid Lübke. Foto: Karsten Socher

Ingrid Lübke

Trotz Zerstörung der Kathedrale und vieler Toter und Verletzter starteten Menschen in Coventry nach dem Zweiten Weltkrieg ein Zeichen der Versöhnung in Zusammenarbeit mit Kirchen, Schulen und Städten in vielen Ländern Europas und weltweit. Soll Versöhnung immer erst nach kriegerischen und gewalttätigen Auseinandersetzungen ein Thema sein? Nein. Ich plädiere für Versöhnung heute und jetzt.

Als mitten im Zweiten Weltkrieg Geborene habe ich konkret erfahren, was Krieg für uns Menschen bedeutet. Diese Erlebnisse ließen mich zur Einsicht kommen, dass Konflikte nicht mit Gewalt, sondern in Diskussionen, Verhandlungen und mit Kompromissen ausgetragen werden können und müssen. In den 1950er Jahren konnte ich als Jugendliche an Projekten der Versöhnung in Frankreich mitwirken. So konnte – leider erst über den Gräbern – die Ideologie überwunden werden, und es entstand eine Basis für ein friedlicheres Europa mit vielen versöhnten Staaten und Kulturen.

Unterschiedliche Positionen von Menschen, Machthabern oder Staaten und Institutionen führen immer wieder zu Konflikten, denen wir uns nicht entziehen dürfen. Als Christin setze ich mich dafür ein, den Konflikten nicht konfliktscheu aus dem Wege zu gehen. Wir sollten jedoch dazu beitragen, sie im Austausch der Meinungen und mit gegenseitigem Respekt für unterschiedliche Positionen und Forderungen, ohne Gewalt, im Sinne der Bergpredigt zu lösen. Es ist oft nicht leicht, dem „Schwarz-Weiß-Denken“ oder der vereinfachenden Zuordnung des Konflikts auf einen Sündenbock zu begegnen. Aber Konflikte mit militärischer Gewalt lösen zu wollen, diese Strategie lehne ich ab, weil sie mit der Tötung unzähliger, oft unschuldiger Menschen verbunden ist und bei der atomaren Bewaffnung zu unvorhersehbaren Zerstörungen auf unserem Planeten führt.

Nicht militärische Aufrüstung, sondern Friedensarbeit zum Erhalt guter Lebensbedingungen für alle Menschen auf unserer in ihrer Existenz bedrohten Erde – das bewegt meinen Glauben, meine Hoffnung und mein Handeln. Im Sinne der Nagelkreuzgemeinschaft gibt es für Versöhnung und Frieden immer wieder neue Anstöße, in Kassel und weltweit.

 

Pfingsten in Recklinghausen: Eine Hoffnung, die keine Bedingungen stellt

Die <Gastkirche> in Recklinghausen ist ein offener Ort. Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenswegen kommen hier zusammen: Wohnungslose, Engagierte, Gläubige, Zweifelnde. Wer will, findet hier Gemeinschaft – im Alltag, im Gespräch, im Gottesdienst. Am Samstag vor Pfingsten, dem 7. Juni 2025, wurde die Gastkirche in die Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen.

Kleine Ausstellung und Gesprächsatmospäre in der Gastkirche. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Tagsüber war der kleine, mittelalterliche Kirchenraum geöffnet. Eine Ausstellung informierte über die Geschichte der Nagelkreuzgemeinschaft. Auch örtliche Friedensinitiativen stellten sich vor. Das geplante Friedensfest auf dem Oscar-Romero-Platz fiel zunächst weitgehend dem Regen zum Opfer. Am Abend füllte sich die gegenüberliegende, größere Gymnasialkirche bis auf den letzten Platz. Der Gottesdienst wurde von Pfarrer Ludger Ernsting und dem Gospelchor „Spirit of Joy“ feierlich gestaltet. Alice Farnhill überreichte das Nagelkreuz im Namen der Kathedrale von Coventry. Auch zwei Gäste aus dem niederländischen Breda waren anwesend – die Verbindung war bei der gemeinsamen Pilgrimage nach Coventry entstanden. Im Anschluss wurde das Kreuz in einer kleinen Prozession in die Gastkirche getragen. Später klang der Tag auf dem Oscar-Romero-Platz aus – mit Musik, Essen und Tanz. Menschen aus verschiedenen Zusammenhängen kamen ins Gespräch: Besucherinnen und Besucher der Kirche, Passanten, Gemeindemitglieder, Wohnungslose, Gäste aus der Stadtgesellschaft. Im Folgenden dokumentieren wir das Grußwort des Vorstands der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft.

Liebe Recklinghäuserinnen und Recklinghäuser,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gastkirchen-Gemeinde,

zu einem Friedensfest habt ihr eingeladen. Ein Fest des Friedens. Ich weiß nicht, ob es da im Moment etwas zu feiern gibt.

Ich denke an die Toten – in Gaza, in der Ukraine, im Mittelmeer.
An Trump, Nawrocki, Wilders. An den Brexit.
An Hass und Lügen in den sozialen Medien und in den Parlamenten,
an Hetze und Härte, die Grenzen ziehen –
zwischen Ost und West, arm und reich, deutsch und nicht deutsch, drinnen und draußen.

Ich denke an Kinder, die ausgeliefert waren. An ihre Wunden, die Gerechtigkeit schreien. An bohrende Fragen, die unbeantwortet bleiben.

Ich denke an den Mann, nach dem dieser Platz benannt ist, und die vielen anderen, die ermordet wurden, weil sie Gerechtigkeit und Frieden wollten.

An einen guten Freund. Verloren in Verschwörung und Wut.
An die, die nicht mehr fragen, was wahr ist, sondern nur noch: Was nützt mir das?

An die, die hungern.
An die, die sammeln.

An den Sommer. Und an die brennende Erde.

Ein Friedensfest also?
Doch. Bitte bleiben Sie!

Es gibt ja Kaffee. Und Kuchen. Stärkung.
Nicht nur leiblich: Auch mit Gottes Wort, Musik und Gebet.
Und Ermutigung. Und Hoffnung.

Grußwort von Niels Faßbender im Namen des Vorstands. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Und ein Nagelkreuz.
Ein Kreuz aus Trümmern.
Coventry, 1940. Eine Kathedrale in Flammen. 515 Tote.
Kein Zeichen von Macht.
Kein Denkmal der Sieger.

Ein Kreuz, aufgerichtet gegen den Hass:

„Father, forgive.“
Nicht: ihnen. Uns allen.
Dem, der warf. Und der, die weinte.
Dem, der zerstörte. Und der, die aufräumte.

Weihnachten, die Trümmer der Stadt noch warm von der Vernichtung,
der Probst der zerstörten Kathedrale im Radio:
Wir werden nicht hassen. Wir werden nicht heimzahlen. Wir werden bauen.
An einer Welt, die freundlicher ist. Christusähnlicher.
Weniger stolz. Weniger hart.

Aus dem Wort wurde Tat. Aus Schmerz wurde Sendung.
Menschen aus Coventry nahmen Nägel aus der Asche ihrer Kathedrale.
Banden daraus Kreuze. Brachten sie nach Kiel. Nach Dresden. Nach Münster.
Nicht nur die Nagelkreuze brachten sie. Sie brachten sich selbst.
Nicht um zu strafen, sondern um aufzubauen.
Nicht um zu fragen, wer Schuld hat,
sondern um zu sagen: Wir fangen neu an. Zusammen.

Dann kamen Deutsche nach England.
Nicht mit Entschuldigungen,
aber im Bewusstsein der Schuld.
Auch sie bauten mit. Hörten zu. Blieben.
Es wuchs Vertrauen. Und Freundschaft.

Eine neue Kathedrale entstand.
Und ein weltweites Netz. Ein Netz der Versöhnung.

Heute steht ein Nagelkreuz in über 260 Städten.
Nicht nur für Frieden zwischen England und Deutschland.
Sondern für Versöhnung überall, wo Menschen sich anfeinden, hassen, verletzen, töten.

In New York – zwischen Terror und Trauer.
In Südafrika – zwischen Schwarz und Weiß.
In Polen – zwischen verbrannter Erde und knospendem Mandelzweig.
In Israel und Palästina – zwischen Schwertern und Pflugscharen.
In Belfast – zwischen Schweigen und Sprechen.
In Berlin – zwischen Christen, Juden und Muslimen.

Und heute übergibt die Kathedrale von Coventry ein Nagelkreuz nach Recklinghausen.
An diesem Platz. An Gastkirche und Gasthaus.

Diese Altstadt hat der Krieg verschont. Brüche, Not, Verluste gibt es trotzdem.
Auch hier tragen Menschen Trümmer, Kummer, Schmerz, Verzweiflung, Sehnsucht.

Aber nicht allein.
Hier, in Gastkirche und Gasthaus, geschieht Tag für Tag, wofür das Nagelkreuz von Coventry steht.

Ich denke an die Menschen, die mit leeren Händen kommen – und mit einem warmen Frühstück empfangen werden.
Ich denke an die, die auf der Straße leben – und hier duschen, Wäsche waschen, Briefe empfangen.
Ich denke an die, die einsam sind – und hier Gemeinschaft finden.
An die, die trauern – und hier getröstet werden.

Volle Kirche zur feierlichen Übergabe. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Hier wird kein Evangelium verkündet, das nicht auch getan wird.
Kein Frieden gefeiert, der nicht auch gestiftet wird.

Die Gastkirche macht nicht „für“. Sie macht „mit“.
Mit Amnesty. Mit Pax Christi.
Und mit denen, von denen andere sich abwenden.

Ihr schweigt, wo man sonst schreit.
Gedenkt, wo man lieber vergisst.
Haltet Wache bei den Toten und den Lebenden.

Ihr glaubt: Gott ist für niemanden zu groß.
Gott ist nah.
Im Kleinen. Im Geringen. Im Jetzt.
Ihr glaubt an Gottes Frieden.
Ihr nehmt einander an. In diesem Glauben.
So wie Gott uns angenommen hat.

Wer diesen Ort betritt, spürt: Hier ist es nicht egal.
Nicht egal, was du erlebt hast.
Nicht egal, woran du leidest.
Nicht egal, ob du kommst.
Hier wird der Mensch nicht bemessen. Hier wird er gesehen.

Und das, liebe Freundinnen und Freunde, das ist Versöhnung:
Nicht das vielversprechende Wort. Sondern das kleine Brot.
Nicht die große Lösung. Sondern das geteilte Leben.
Nicht der billige Trost. Sondern die wertschätzende Zuwendung.

Versöhnung ist kein Widerspruch zur Wirklichkeit.
Denn sie entsteht aus Wahrheit.
Versöhnung schweigt nicht zur Schuld. Sie deckt nichts zu.
Versöhnung kennt das Zerbrochene und geht hindurch.
Die Wunde heilt, doch die Narbe bleibt.
In Coventry wuchs eine neue Kathedrale.
Nicht auf den Trümmern,
sondern an ihrer Seite.
Zerstörung und Hoffnung – untrennbar.

Wo ein Nagelkreuz steht,
arbeiten Menschen am Noch-Nicht,
vertrauen auf Gottes Verheißung,
glauben, dass Geschichte sich nicht wiederholen muss.
Dass Vielfalt kein Risiko, sondern ein Geschenk ist.
Dass wir nicht nur kriegstüchtig, sondern auch friedenstüchtig werden können.

Pfarrer Ludger Ernsting (links) und Alice Farnhill (rechts) mit dem Nagelkreuz vor seinem künftigen Standort. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Versöhnung ist kein Zustand. Sondern bleibt ein Weg.
Ihr seid auf diesem Weg.
Hier ist kein Gedenkort für den Frieden – hier wird Frieden getan. Täglich.
Hier wird sichtbar: Gottes Reich ist keine Illusion.
So wächst Hoffnung. Wächst Versöhnung.

Ich wünsche euch, dass dieses Kreuz
euch tröstet, wenn ihr verzagt. Ihr seid nicht allein.
Dass es euch stärkt, wenn ihr müde seid. Wir beten für euch.
Dass es euch ruft, wenn ihr euch einrichtet. Ihr seid das Licht der Welt!
Und bei den Veränderungen, die auf eure Gemeinschaft zukommen:
Dass es euch Kurs, Kraft und Zuversicht gibt.
Dass es uns immer erinnert: Hass und Gewalt haben nicht das letzte Wort.
Fürchtet euch nicht.

Ihr erhaltet heute ein Nagelkreuz, weil ihr glaubt, lebt und bezeugt,
dass man die Wunden der Geschichte heilen kann.
Dass man mit Verschiedenheit leben und Vielfalt feiern kann.
Dass man eine Kultur der Gerechtigkeit und des Friedens aufbauen kann.

Liebe Gastkirche, liebes Gasthaus,
herzlich willkommen in der Nagelkreuzgemeinschaft.
Im Namen des Vorstands und des Leitungskreises der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V.:
Herzlichen Glückwunsch!

Lasst uns feiern, dass ihr bei uns seid. Lasst uns feiern, dass es euch gibt.
Lasst uns ein Fest des Friedens feiern!

Glück auf!

Autor: Niels Faßbender

 

Chemnitz 2025: Kulturhauptstadt und neues Nagelkreuzzentrum

Stadtkirche St. Jakobi in Chemnitz (Foto: Stephan Tischendorf)

Am 5. März 2025 wurde der evangelischen Stadtkirche St. Jakobi in Chemnitz das Nagelkreuz von Coventry übergeben. Der Gottesdienst fand am 80. Jahrestag des ersten großen Luftangriffs auf Chemnitz im Zweiten Weltkrieg statt. Die Übergabe des Nagelkreuzes wurde von John Witcombe (Dekan der Kathedrale von Coventry), Dr. Oliver Schuegraf (Vorsitzender der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V.) und Sachsens Landesbischof Tobias Bilz begleitet. Der Gottesdienst war Teil des städtischen Gedenkens, aber auch ein deutliches Signal der Vernetzung: Chemnitz ist nun offiziell Teil der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft. Gleichzeitig ist Chemnitz 2025 Chemnitz eine der Europäischen Kulturhauptstädte – die Übergabe des Nagelkreuzes ein Blick zurück, nach vorn und in die Gegenwart. Drei Tage später, am 8. März, jährte sich der zweite Angriff – damals flogen über 700 britische Bomber einen weiteren schweren Angriff auf die Stadt. An diesem Gedenktag versammelten sich Mitglieder der Nagelkreuzgemeinschaft zum Regionaltreffen in Chemnitz.

Die evangelische Stadtkirche St. Jakobi – mitten im Chemnitzer Stadtzentrum wurde bei der Bombardierung von Chemnitz am 5. März 1945 schwer zerstört. Später wiederaufgebaut, ist sie heute ein lebendiger Gedenk- und Versöhnungsort. Jeden Freitag um 12 Uhr versammelt sich dort eine ökumenische Gemeinschaft zum Mittagsgebet und spricht das Versöhnungsgebet der Kathedrale von Coventry, darunter Gemeindeglieder ebenso wie Gäste und Touristen.

Jedes Jahr am 5. März begeht Chemnitz den Friedenstag, an dem an die Opfer der Kriegszerstörung von 1945 erinnert wird. Auch die St. Jakobikirche gestaltet diesen Gedenktag mit: Alljährlich findet an diesem Datum ein Friedensgottesdienst statt, der im Zeichen von Frieden und Versöhnung steht. Häufig wirken Kinder und Jugendliche daran mit – so musizieren etwa Chemnitzer Kindergruppen an diesem Tag in der Kirche und lesen Texte zum Thema Versöhnung und Frieden. Die Kirche öffnet sich der Stadtgesellschaft, um die Botschaft der Versöhnung lebendig zu halten.

Ökumenische Initiativgruppe – Versöhnungsarbeit in Chemnitz

Gedenkkreuz für den 05.03.1945 (Foto: Stephan Tischendorf)

Hinter der Aufnahme von Chemnitz in die Nagelkreuzgemeinschaft steht eine engagierte ökumenische Initiativgruppe. Seit knapp vier Jahren – erste Ansätze gab es sogar schon vor rund einem Jahrzehnt – arbeitet diese Gruppe in Chemnitz auf das Ziel hin, ein Nagelkreuzzentrum zu etablieren. Ihr gehören Christ:innen aus der evangelischen, katholischen und neuapostolischen Kirche an. Geleitet und begleitet wird die Initiative von den Gemeinderpfarrer:innen Dorothee Lücke und Stephan Tischendorf.

Die Chemnitzer Initiativgruppe verankert die Versöhnungsarbeit mitten in der Stadtgesellschaft. In den letzten Jahren organisierte sie zahlreiche Veranstaltungen an wechselnden Orten in Chemnitz. Dazu zählten unter anderem eine Podiumsdiskussion zum Thema „Hass im Internet“, eine Lesung mit einer Aktivistin gegen Prostitution, ein Grillabend, bei dem die Gedanken Desmond Tutus zum „vierfachen Versöhnungsweg“ vorgestellt wurden, sowie ein Erzählabend unter dem Motto „Erzähl mir von Versöhnung“. Auch den Nagelkreuzsonntag gestaltete die Gruppe in den letzten Jahren jeweils in unterschiedlichen Kirchen, um die Versöhnungsidee in verschiedene Stadtteile zu tragen.

Darüber hinaus lud die Initiativgruppe zu Gemeindeabenden ein, um gemeinsam über die einzelnen Bitten des Versöhnungsgebets ins Gespräch zu kommen. Nach einer Pilgerfahrt einer Chemnitzer Delegation nach Coventry im Mai 2024 berichteten die Teilnehmenden in einem Gemeindeabend mit über 40 Gästen aus verschiedenen Gemeinden begeistert von ihren Eindrücken. Auch aktuelle Themen greift die Gruppe auf: So organisierte sie im September 2024 einen Begegnungsabend mit syrischen Geflüchteten in Chemnitz und plante für November 2024 eine Gedenkveranstaltung am früheren Kaßberg-Gefängnis, um die lokale Erinnerungskultur mit der Versöhnungsarbeit zu verknüpfen.

Ein Nagelkreuz auf Wanderschaft: die Stele des Chemnitzer Nagelkreuzes

Das Chemnitzer Nagelkreuz soll künftig als Wanderkreuz immer wieder an anderen Stationen in der Stadt gezeigt werden. In St. Jakobi bleibt es sichtbar, auch wenn es gerade an einem anderen Ort ist: Dafür hat die Initiativgruppe eine Stele entwerfen lassen, die das Nagelkreuz als negatives Abbild zeigt: Zwei aufrechtstehende Holzbalken mit charakteristischen Aussparungen erzeugen den Umriss des Kreuzes als Form, die präsent bleibt, auch wenn das Kreuz selbst unterwegs ist.

Nagelkreuz und Stele in St. Jacobi (Foto: Michael Monzer)

Das Holz für die Stele stammt von einem Dresdner Betrieb, der gefällte Bäume aus der Stadtpflege weiterverarbeitet, statt sie zu verheizen. Aus verschiedenen Hölzern mit bekannter Herkunft entstand so die Stele für das Chemnitzer Wandernagelkreuz. Die beiden senkrechten Balken bestehen aus einem Apfelbaum aus der Region Tübingen, als Aufruf zur Versöhnung zwischen Ost und West. Das Holz ist nur grob bearbeitet, zeigt Stockflecken und bleibt in seiner Unvollkommenheit sichtbar.

Am Fuß der Apfelholz-Balken ist der Schriftzug „FATHER FORGIVE“ eingeschnitzt, von einem Mitglied der Chemnitzer Nagelkreuzinitiative, das ursprünglich aus Bayern stammt. Das Nagelkreuz selbst ruht auf einer kleinen abnehmbaren Konsole innerhalb der Stele. Deren Bodenplatte besteht aus einem weiteren Stück Holz einer Platane aus Dresden-Übigau, die dort gefällt werden musste. Die Holzplatte ist fest mit dem Kreuz verbunden und wird mit ihm zusammen durch Chemnitz „wandern“. Dresden ist einer der Orte, an denen die ersten Nagelkreuze in Deutschland übergeben wurden. Dem Gefühl mancher Chemnitzer, „abgehängter“ Landesteil zu sein, will die Stele bewusst etwas entgegensetzen: Ein „Stück Dresden“ bildet nun das Fundament des Chemnitzer Nagelkreuzes. So symbolisiert das Kreuz auch das Zusammenwachsen innerhalb Sachsens.

Nagelkreuz-Regionaltreffen 2025: Austausch in Chemnitz

Drei Tage nach der Nagelkreuzverleihung traf sich in Chemnitz die Region Mitte. 35 Teilnehmende aus fast allen Zentren sowie einige Einzelmitglieder waren zum Kennenlernen und zum Austausch angereist.

Der Tag begann in St. Jakobi mit einer Andacht von Pfarrer Stephan Tischendorf. Anschließend erläuterte Rico Weiß für die Initiativgruppe die Gestaltung des Nagelkreuzstandorts. Daran schloss Pfarrerin Dorothee Lücke eine kurze Kirchenführung an. Bei strahlendem Sonnenschein folgte eine Stadtführung über den Markt bis zum bekannten „Nischel“, dem großen Karl-Marx-Kopf – dem früheren Namensgeber der Stadt. Von dort ging es weiter zur Gedenkstätte Kaßberg-Gefängnis und schließlich zur Kreuzkirche, dem Tagungsort des Regionaltreffens. Dort warteten zur Mittagszeit anstelle einer Suppe arabische Spezialitäten . Das Team eines lokalen Restaurants war vom Versöhnungsanliegen so angetan, dass es diese Köstlichkeiten als kulinarischen Gruß spendiert hatte.

Regionaltreffen Mitte 2025 in Chemnitz (Foto: Tabea Kormeier)

Ein Höhepunkt des Treffens war der Redebeitrag von Landesbischöfin i.R. Ilse Junkermann, Vorsitzender von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. In ihrem Vortrag „80 Jahre Friedensarbeit – Erfahrungen und Herausforderungen in der heutigen Zeit“ ließ sie die Geschichte der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. Revue passieren und teilte ihre reichen Erfahrungen aus acht Jahrzehnten Versöhnungsarbeit. (Den Vortrag könnnen Sie demnächst auf www.nagelkreuz.de nachlesen.) In der anschließenden Diskussion wurden die Anregungen noch vertieft.

Am Nachmittag berichteten die Teilnehmenden bei Kaffee und Kuchen aus ihren Heimatorten. So ging es etwa um Initiativen, die den Gedanken der Versöhnung an Schulen in Plauen tragen, oder um Projekte in der Diakonissenanstalt Dresden, die Mitarbeitende für Friedensthemen sensibilisieren. Zur Sprache kamen auch Begegnungen mit Besuchergruppen – beispielsweise aus Wuppertal-Barmen, aus Irland und aus Edinburgh – sowie besondere Auszeichnungen: So wurde etwa das Augustinerkloster Erfurt als „Ort der Demokratie“ gewürdigt. Ebenso diskutierten die Teilnehmenden den Umgang mit der eigenen Geschichte, etwa die Auseinandersetzung mit Martin Luthers Antisemitismus im Kontext der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Erfurt. Zudem dankte die Regionalversammlung dem kürzlich aus dem Vorstand und Leitungskreis ausgeschiedenen Lothar Schmelz herzlich für sein langjähriges Engagement.

Autor: Niels Faßbender mit Beiträgen von Rico Weiß, Stefan Tischendorf und Tabea Kormeier.

Predigt von Canon Mary Gregory zur Nagelkreuzübergabe an vier Hamburger Hauptkirchen

„Weggefährten der Versöhnung“

In einem feierlichen Festgottestdienst am 10. November 2024 haben die Hamburger Hauptkirchen St.Jacobi, St. Michaelis, St. Nikolai und St. Petri ein Nagelkreuz erhalten. Hier können Sie die Predigt von Mary Gregory, Kanonikerin für Kunst und Versöhnung an der Kathedrale von Coventry, nachlesen. Predigttest ist Micha 4, Vers 1-5.

Foto: Nagelkreuzgemseinschaft, Canon Mary Gregory

Vor kurzem suchte ich Rat für ein wichtiges Ereignis, auf das ich mich vorbereitete. Ich war mir nicht sicher, wie ich vorgehen sollte, wie ich mich präsentieren sollte, was ich sagen sollte. Meine Gesprächspartnerin – eine weise Frau – riet mir, von dem Ergebnis auszugehen, das ich mir erhoffte, und dann von dort aus weiterzuarbeiten; die Schritte zu planen, die mich zu diesem gewünschten Ziel führen würden. Das war ein wirklich guter Rat!

Ich möchte vorschlagen, dass wir mit der heutigen Bibellesung aus Micha etwas Ähnliches tun: Dass wir am Ende der Lesung beginnen, mit der bewegenden Beschreibung des Lebens nach der gewaltsamen Auseinandersetzung, und uns dann rückwärts durch die Lesung arbeiten, um zu planen, wie wir dorthin gelangen können.

Michas Beschreibung des Friedens mag uns sehr vertraut sein. Deshalb ist sie nicht weniger bewegend. Hört mir noch einmal zu. Uns wird die Umwandlung von Massenvernichtungswaffen in Werkzeuge zur Massenproduktion versprochen (Vers 3), damit alle satt werden. Es wird uns gesagt, dass der Kampf aus dem Lehrplan gestrichen wird, weil diese Fähigkeiten überflüssig sind – „und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Vers 4). Es wird uns versichert, dass jeder Mensch einen Platz haben wird, der ihm gehört – einen Feigenbaum oder einen Weinstock, unter dem er sitzen kann – und dass er sich nicht fürchten muss, wenn er dort sitzt (Vers 4).

Ich weiß nicht, wie ihr diese Beschreibung des Lebens nach den Feindseligkeiten charakterisieren würdet. Für mich ist sie nicht arrogant oder gierig, sondern fasst einfach die Grundlagen zusammen, die Menschen brauchen, um gut zu leben, um zu gedeihen: Nahrung, Heimat, Sicherheit. Diese Einfachheit hat etwas Wunderschönes an sich. Sie führt uns zu dem zurück, was wirklich wichtig ist: Nahrung, Heimat, Sicherheit.

Diese Dinge mögen grundlegend sein, aber wie vielen Menschen auf der Welt fehlt es daran! Wie viele Menschen hungern, haben kein Dach über dem Kopf, sind weit weg von zu Hause und werden von der lähmenden Angst wachgehalten, wie sie ihre Kinder in Sicherheit bringen sollen. Wie kommen wir um dieser Menschen und ihrer Kinder willen, um unserer eigenen Kinder willen, zu Michas Vision, zu der Zukunft, die Gott verheißt? Arbeiten wir uns rückwärts durch unsere Lesung.

Zunächst müssen wir verstehen, dass dies das Werk Gottes ist. Gott „wird richten”, sagt Micha, „Gott wird schlichten“, „Gott wird sprechen“, und diese universelle Versöhnung wird sich ereignen (Verse 3 bis 4).

Dass die Versöhnung in erster Linie Gottes Werk ist, soll uns ermutigen und trösten und ein Gegenmittel gegen die Überwältigung sein, die wir empfinden, wenn wir die Verwundbarkeit der Welt betrachten. Die britisch-somalische Dichterin Warsin Shire drückt diese Überwältigung kraftvoll aus. Sie schreibt:

later that night

I held an atlas in my lap

ran my fingers over the whole world

and whispered

where does it hurt?

It answered

everywhere

everywhere

everywhere.

später in dieser Nacht

hielt ich einen Atlas in meinem Schoß

ließ meine Finger über die ganze Welt gleiten

und flüsterte

wo tut es weh?

Er antwortete

überall

überall

überall.

Wir sehen die Nachrichten, scrollen auf unseren Handys und spüren das „Überall“, das uns in Untätigkeit erstarren lässt. Wie können wir auf das „Überall“ reagieren? Es ist zu viel für uns.

Es ist zu viel für uns, aber nicht zu viel für Gott. Das „Überall“ ist Gottes Territorium. Gott ist derjenige, der „zwischen vielen mächtigen Völkern“ (Vers 3) für Ausgleich sorgen wird. Wir müssen unseren Glauben an das Versöhnungswerk Gottes wiedergewinnen – davon sprechen, darauf hinweisen, denn die Menschen haben die Hoffnung verloren. Selbst den Gläubigen fällt es schwer, angesichts von so viel Schmerz und Verzweiflung davon zu sprechen. Wir müssen wieder sicher und selbstbewusst mit der Hoffnung umgehen können, den Menschen sagen, dass Gott der große Versöhner ist, dass Gott dies tun wird.

Aber damit sind wir noch nicht aus dem Schneider. Wir dürfen nicht passiv oder gleichgültig gegenüber den Verwerfungen sein, die uns trennen. Nein, in unserer Lesung aus Micha gehen wir noch einmal zurück: Wir sollen Gott erlauben, „uns seine Wege zu lehren“, wir sollen „in seinen Pfaden wandeln” (Vers 2). Dieses Werk der Versöhnung ist Gottes Werk und es ist auch das unsere. Hört: Die Gründungsschrift der Kathedrale von Coventry sagt: „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber“ – uns – „und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung“ (2. Korinther 5, Vers 18).

Wir sollen offen dafür sein, dass Gott uns seine Wege der Versöhnung lehrt, und dann sollen wir ihnen folgen, nicht für das „Überall“, das Gott gehört, sondern für das „an meinem Ort“, das uns gehört. In einem Gedicht, das eine Antwort auf die Qualen des „Überall“ von Warsin Shire gibt, schreibt Gideon Heugh dies:

Do not be afraid—

to complete the repair of the world

is not why you were made.

You were created to play

only your part;

whatever is within your hands;

whatever is the now of your heart.

Habt keine Angst –

die Reparatur der Welt zu vollenden

ist nicht der Grund, warum du geschaffen wurdest.

Du wurdest erschaffen, nur

um deine Rolle zu spielen;

was immer in deinen Händen liegt;

was immer das Jetzt Deines Herzens ist.

Wenn wir uns um die Versöhnung vor Ort kümmern, um das, was in unseren Händen liegt, um das „Jetzt“ unseres Herzens, was sollen wir dann von Gott lernen? Was kennzeichnet Gottes Versöhnungswerk – und was soll also unser eigenes prägen? Ich möchte behaupten, dass Gottes Versöhnungswerk beharrlich, zärtlich und kreativ ist.

Vermutlich habt ihr noch nicht viel Zeit damit verbracht, die Genealogie am Anfang des Matthäus-Evangeliums zu lesen. Die lange Liste der Namen von Jesu Vorfahren ist vielleicht nicht sehr fesselnd. Man kann die Genealogie aber auch als Aufzeichnung von Gottes beharrlichem Bemühen um Versöhnung mit der Menschheit lesen, denn sie listet Patriarchen, Könige und Propheten auf, durch die Gott versucht hat, uns zu sich zu ziehen. Durch viele Generationen hindurch, durch Hungersnöte, Exodus, Besiedlung, Exil und Rückkehr, sind hier Gottes beharrliche Versuche zu sehen, wieder mit uns eins zu werden.

Gott ist beharrlich in der Versöhnung. Gott wird nicht aufgeben. Und Gott ist zärtlich in der Versöhnung. Durch den Propheten Hosea vergleicht Gott sich selbst mit einer Mutter, die Israel pflegt, ihm das Laufen beibringt, es sanft hochhebt, um es auf die Wange zu küssen (Hosea 11, Vers 1 bis 4). Durch Rebellion und Ablehnung hindurch bleibt diese Zärtlichkeit bestehen. Gott kann von dieser Zärtlichkeit nicht ablassen.

Gottes versöhnende Wege, denen wir folgen sollen, sind beharrlich, zärtlich und kreativ. Wie das? Schaut euch einfach die Menschen an, die Gott benutzt, die Strategien, die Gott einsetzt. In der Genealogie des Matthäus sehen wir, dass Gott in Rahab, Rut und Batseba durch eine Prostituierte, eine Ausländerin und eine Ehebrecherin auf Versöhnung hinarbeitet, und in uns selbst sehen wir, wie Gott durch gutherzige, aber zutiefst fehlerhafte Menschen auf Versöhnung hinarbeitet. Und dann sehen wir in der Menschwerdung Jesu Christi die Vorstellungskraft, die Risikobereitschaft Gottes, der das Unendliche endlich macht, um uns irgendwie zu Gott nach Hause zu bringen.

Wenn Gott uns Gottes Wege zur Versöhnung lehrt, lernen wir, dass wir beharrlich, zärtlich und kreativ sein müssen, damit wir irgendwie Gemeinsamkeiten entdecken und aus Feindschaft Freundschaft schmieden können.

Wir müssen in unserer Lesung aus Micha ein letztes Mal einen Schritt zurückgehen, um herauszufinden, was für uns heute besonders wichtig ist, wenn sich die Hamburger Hauptkirchen dem Versöhnungsnetzwerk der Kathedrale von Coventry, der Gemeinschaft des Nagelkreuzes, anschließen. „Kommt, lasst uns gehen”, sagt eine Stimme in unserer Lesung (Micha 4, Vers 2) und erinnert uns so an die Bedeutung von Gemeinschaft in diesem Werk der Versöhnung. Wir brauchen Menschen, die uns bei unserer Arbeit anspornen und aufmuntern.

Heute schließt ihr euch einer Gemeinschaft von mehr als 260 Partner:innen weltweit an, die für euch beten werden und ihre Geschichten mit euch teilen werden; die euch sagen werden: „Der Berg der Versöhnung ist steil, aber klettert weiter“. Die auch auf euch schauen werden, um sich ermutigen zu lassen, die sich darauf verlassen, dass ihr für sie beten werdet und sagen werdet: „Kommt, lasst uns gehen…“

Indem ihr heute diese Nagelkreuze empfangt, verpflichtet ihr euch erneut zum Werk der Versöhnung. Dabei denkt daran: Das „Überall“ der Versöhnung gehört Gott. Ihr seid aufgerufen, von Gott zu lernen, wie ihr beharrlich, zärtlich und kreativ in der Versöhnung sein könnt, zu der ihr aufgerufen seid – hier bei euch –, was auch immer in euren Händen liegt, was auch immer das „Jetzt“ eurer Herzen ist. Und denkt daran: Ihr seid jetzt Teil einer Gemeinschaft. Erlaubt dieser Gemeinschaft, euch zu ermutigen. Betet auch für eure neuen Schwestern und Brüder, dass ihr, die ihr jetzt zu dieser Gemeinschaft gehört, Hoffnung und neues Leben für sie seid.

Amen.

Autorin: Canon Mary Gregory, Übersetzung: Niels Faßbender

Nagelkreuz in allen fünf Hamburger Hauptkirchen

Grußwort des Vorstands

Am Sonntag (10. November 2024) erhalten die Hamburger Hauptkirchen St. Jacobi, St. Michaelis, St. Nikolai und St. Petri ein Nagelkreuz. St. Katharinen ist schon seit 1961 Nagelkreuzzentrum, das Mahnmal St. Nikolai hat seit 1995 ein Nagelkreuz. Alle Hamburger Hauptkirchen haben dann ein Nagelkreuz. Aus Anlass der Übergabe findet an dem Wochenende in Hamburg ein umfangreiches Festprogramm statt. Hier lesen Sie das Grußwort, das Niels Faßbender den Hamburger:innen im Namen des Vorstands der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V. überbracht hat.

Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger,

liebe Nagelkreuzgemeinde,

1995 – ein Jahr nach dem Abitur – war ich das erste Mal in meinem Leben in dieser wunderbaren Stadt. Um genauer zu sein: Im Juni 1995, zum 26. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Das Motto damals war Micha 6, 8: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist“.

Damals, fünf Jahre nach der Wiedervereinigung, waren viele gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen unbeantwortet; für manch eine:einen verbunden mit der Hoffnung, dass uns als Antwort mehr gelingt als eine Fortschreibung der alten BRD. Mitte der 1990er Jahre war die Arbeitslosenquote in Deutschland hoch, vor allem in Ostdeutschland hatten viele Menschen ihre Arbeitsplätze verloren und bangten um ihre Zukunft. Gleichzeitig gab es in den 1990er Jahren eine Zunahme von rechtsextremen Vorfällen und Gewalt gegen Ausländer, Asylbewerber und Minderheiten. Grauenhafte Brandanschläge in Solingen und Rostock Anfang der 1990er Jahre erschütterten unser Land. Seit 1991 herrschte Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Im Sommer 1995 wurden beim Massaker von Srebrenica über 8.000 Menschen ermordet. „Nie wieder Krieg, nie wieder Völkermord“ – welchen Wert hatten diese Mahnungen noch, mit denen wir aufgewachsen waren? Und dann war da auch noch die Physik. So langsam dämmerte uns, dass der Planet immer wärmer wird – zu warm – wenn wir so weitermachen wie bisher. Die Verabschiedung des Kyoto-Protokolls (1997) war zwar noch ein wenig entfernt, aber der Druck zur Entwicklung einer globalen Umweltpolitik war bereits deutlich zu spüren.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist“! Für die, die es noch nicht verstanden haben, bringt Micha es auf den Punkt: „Nichts als Recht tun, Güte lieben und demütig sein vor deinem Gott“.

  • In einer Zeit, in der viele mit Ungerechtigkeit konfrontiert waren, etwa durch Arbeitslosigkeit oder gesellschaftliche Benachteiligungen, erinnert uns der Prophet daran, dass die Suche nach sozialer Gerechtigkeit wichtig ist. „Recht tun“ bedeutet, für Gerechtigkeit einzutreten, im Wirtschaftlichen wie im Sozialen.
  • Gesellschaftliche Spannungen und Ängste, rechtsextreme Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, das Schicksal der Flüchtlinge: „Güte lieben“ bedeutet, Menschen nicht aufgrund von Herkunft oder Hintergrund oder welcher Merkmale auch immer abzulehnen, sondern ihnen mit Wertschätzung und Mitgefühl zu begegnen.
  • In Zeiten schnellen Wandels durch Globalisierung und Technologie neigen wir Menschen zu glauben, dank unbegrenzten Fortschritts und Wachstums trotz aller ungelösten Fragen die Kontrolle zu behalten. „Demütig sein vor deinem Gott“ mahnt uns, unsere Grenzen zu respektieren – in der Natur, in der Gesellschaft und im Umgang miteinander.

Jetzt, fast dreißig Jahre später, bin ich wieder in Hamburg, mal wieder. Es war uns doch gesagt, Mensch, was gut ist. Ist die Welt seitdem eine bessere geworden?

Vermutlich haben viele von ihnen vorgestern Abend ähnlich fassungslos wie ich vor dem Fernseher gesessen. Ausgerechnet Donald Trump, der in seinem Wahlkampf gegen Ausländer gehetzt, den Reichen Steuersenkungen versprochen und eine Rücknahme der Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgängers angekündigt hat – ausgerechnet dieser Donald Trump verspricht bei seinem ersten Auftritt nach dem Wahlsieg, er werde das Land „heilen“. Und als ob das – neben Ukraine, Nahem Osten, AfD, Klimawandel usw. nicht genug wäre – platzt dann in den Abend auch noch die Nachricht: Die Ampel ist Geschichte. Preisanstiege, einstürzende Brücken, drohender wirtschaftlicher Abschwung. Und heute erschüttern uns die Nachrichten aus Amsterdam, wo gestern israelische Fußballfans angegriffen und verletzt wurden.

Mensch, ist uns wirklich gesagt, was gut ist? Ja, das ist es. Um mit Erich Kästner zu sprechen: „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“ Gibt es sie noch, die Menschen, die Gutes tun?

Ja, die gibt es! Genau deswegen sind wir heute Abend hier zusammengekommen. Deshalb ist Mary Gregory, Canon an der Kathedrale von Coventry, an diesem Wochenende hier in Hamburg. Deshalb bin ich an diesem Wochenende als Mitglied des Vorstands der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V. bei Ihnen. Deshalb sitzen Sie vermutlich alle hier. Deshalb haben Sie, liebe Mitarbeiter – haupt- wie ehrenamtlich – der Hamburger Hauptkirchen für dieses Wochenende ein großartiges Festprogramm auf die Beine gestellt. Deshalb erhalten die Hamburger Hauptkirchen St. Nikolai, St. Petri, St. Michaelis und St. Jacobi am Sonntag das Nagelkreuz von Coventry. Deshalb hat St. Katharinen schon seit 1961 ein Nagelkreuz, das Mahnmal St. Nikolai am Hopfenmarkt schon seit 1995.

Und warum? Weil euch gesagt ist, Hamburger:innen, was gut ist. Und weil ihr nicht nur darüber redet, sondern weil ihr handelt. Weil ihr seit vielen Jahren Gutes tut in dieser Stadt.

In St. Jacobi:

  • begegnen sich bei interreligiösen Frauennachmittagen Christinnen und Muslima
  • plant die „Soziale Initiative City“ zum Wohle kranker und obdachloser Mitbürger,
  • sind einmal im Jahr Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, zu St. Jacobs Mahlzeit eingeladen; sie sitzen als Gäste an einem feierlich gedeckten Tisch und werden mit einem Drei-Gänge-Menü bedient.

Sie verzeihen mir, dass ich unmöglich alles aufzählen kann, hier wie bei den weiteren künftigen Nagelkreuzzentren, sondern nur Beispiele nenne – es ist Wahnsinn, wieviel Gutes in dieser Stadt passiert!

In St. Michalis:

  • konnten zwei Glocken, die im ersten Weltkrieg eingeschmolzen worden waren, mithilfe von Spenden neu gegossen werden. Eine der Glocken ist als Friedensglocke geweiht und trägt in vier Sprachen das „Vater vergib“ aus dem Versöhnungsgebet von Coventry. Zusammen mit dem Gebetsbitten des Vaterunser steigt diese Friedensbitte auf über die Stadt und das Land und in den Himmel, wann immer die Glocke beim Vaterunser angeschlagen wird.
  • Michaelis ist ein wichtiger Ort des Gedenkens und Erinnerns: Am 27. Januar zusammen mit der Hamburger Autorenvereinigung an die Opfer des Holocaust. Rund um den 20. April an die von den Nazis ermordete Kinder vom Bullenhuser Damm. Rund um den 9. November zusammen mit der katholischen Nachbargemeinde St. Ansgar-Kleiner Michel an die Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Am Volkstrauertag als Ort zentralen Gedenkens von Senat, Bürgerschaft und Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge.

St. Nicolai:

  • ist Eigentümerin des historischen Kirchturms, der bei den Luftangriffen im Sommer 1943 zerstört wurde. Regelmäßig finden an dem Mahnmal Andachten statt, bei denen auch das Versöhnungsgebet von Coventry gesprochen wird. Einige werden sich an den Besuch von König Charles III. im Frühjahr 2023 in Hamburg erinnern, als er am Mahnmal St. Nikolai einen Kranz niederlegte und dort das Versöhnungsgebet gesprochen wurde.
  • Eine Stolperstein-Projektgruppe befasst sich mit den Lebensgeschichten jüdischer Bürger:innen, die während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgt und ermordet wurden, und organisiert Patenschaften für neue Stolpersteine.
  • Gemeindeglieder haben Paketaktionen für ukrainische Schüler:innen organisiert. In Kooperation mit „Hege Helping Hands“ betreibt St. Nicolai eine Tafel „Mit Laib und Seele”. Und in Kooperation mit der Wichernschule werden jährlich Kinder-Bischöf:innen eingesetzt, die für die Rechte von Kindern eintreten.

St. Petri;

  • ist wegen ihrer örtlichen Nähe zu Rathaus und Bürgerschaft immer wieder Ort für Gottesdienste in existentiell belastenden Situationen für die Stadtgesellschaft, zum Beispiel für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Notfallseelsorgeteams nach dem Amoklauf im März 2023.
  • Jeden Donnerstag gibt es einen Mittagstisch für Bedürftige Menschen, bei dem es mit der leiblichen Unterstützung auch um Gemeinschaft und Wertschätzung für Menschen geht, die üblicherweise ausgegrenzt werden.
  • Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Verständigung zwischen den christlichen Kirchen und der Dialog mit anderen Religionen. Es gibt ökumenische Gottesdienste, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen, um das gegenseitige Verständnis zu vertiefen.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist“. Das liebe ich an euch Hanseaten. Nicht lange schnacken. Einfach machen!

Nein, die Welt ist in den letzten dreißig Jahren nicht besser geworden. Trotzdem erhalten am Sonntag vier Hauptkirchen das Nagelkreuz von Coventry. In allen Hamburger Hauptkirchen wird dann ein Nagelkreuz stehen. Ich wünsche uns, dass die Kreuze, wo immer wir sie sehen, uns ermutigen und vergewissern:

Eine bessere Welt ist denkbar. Wir dürfen daran glauben. Hier steht dieses Nagelkreuz, weil genau hier ein Teil dieser besseren Welt verwirklicht ist. Es ist Dir gesagt, Mensch, was gut ist.

Hier beten und arbeiten Menschen, die Angst, Zerstörung, Hass und Krieg nicht das letzte Wort überlassen. Hier beten und arbeiten Menschen, die mich und dich so annehmen, wie Gott uns angenommen hat. Hier beten und arbeiten Menschen, mit denen wir nicht nur in unserem christlichen Glauben, sondern auch im Geist von Coventry in der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft für eine friedlichere, gerechtere und versöhntere Welt verbunden sind.

Es ist uns gesagt, Menschen, was gut ist.

Ich freue mich sehr, dieses Wochenende hier bei Ihnen in Hamburg zu sein. Ich grüße Sie sehr herzlich im Namen des Vorstands der Nagelkreuzgemeinschaft. Wir freuen uns riesig, dass Sie mit Ihrer beeindruckenden Versöhnungsarbeit nun bald offiziell Nagelkreuzzentren und Mitglieder unseres Vereins sind. Ich danke allen, die mit mit viel Kraft und Zeit jeden Tag dazu beitragen, dass diese Welt ein Stück besser wird. Ich danke auch allen, die dieses Wochenende organisiert haben und natürlich Mary Gregory, die aus Coventry zu uns gekommen ist und auf deren Vortrag ich jetzt sehr gespannt bin. Auf eine gute Zusammenarbeit! Auf ein gelungenes Wochenende!

Liebe Nagelkreuzgemeinde, liebe Menschen in Hamburg und in unserer weltweiten Gemeinschaft: es ist uns gesagt, was gut ist.

Glück auf!

Autor: Niels Faßbender

 

Lüdenscheid – Plettenberg: 25. Jubiläum und neues Wandernagelkreuz

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Zwei Nagelkreuze für Plauen

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Wir begrüßen zwei neue Nagelkreuz-Zentren

Foto: (C) Agentur Becker & Bredel Saarbrücken.

Am 6. Oktober bzw. am 13. Oktober wurden die Evangelische Kirchengemeinde Alt-Saarbrücken und das Evangelische Jugendwerk Öhringen in die internationale Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen.

Die Evang. Kirchengemeinde Alt-Saarbrücken, die in der Zeit des Dritten Reiches eine Gemeinde der Bekennenden Kirche war und am 1. July 1934 die Bekenntnissynode für das Saargebiet einberief, ist sich durch ihre Geschichte, die auch die Zerstörung der Kirche im 2. Weltkrieg und ihren kontroversen Wiederaufbau einschließt, der besonderen Verantwortung für Frieden und Versöhnung bewusst. Mit der Aufnahme in die Nagelkreuzgemeinschaft will die Kirchengemeinde diese Verantwortung noch stärker als bisher wahrnehmen.

Am 5. Oktober 1944 wurde Saarbrücken durch einen Bombenangriff zu fast 90% zerstört – darunter auch die barocke Ludwigskirche. 75 Jahre danach wurde am Abend des 5. Oktobers in einen Gedenkkonzert in der Ludwigskirche die unter den Schrecken des 1. Weltkrieges entstandene Kantate „Dona nobis pacem“ von Ralph Vaughan Williams (1936), sowie das „Gloria“ von Francis Poulenc (1959) aufgeführt.

Am Tag darauf überreichten Canon David Stone aus Coventry und OKR Oliver Schuegraf, Vorsitzender der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft, in einem Festgottesdienst das Nagelkreuz. Für die Predigt konnte mit Pfr. i.R. Hans-Dieter Osenberg, ein „Zeitzeugen“ der Bombenangriffe auf das Rheinland, gewonnen werden.

Einen guten Eindruck von der Übergabe des Nagelkreuzes bietet der kurze Bericht des Saarländischen Rundfunks.

Nagelkreuzverleihung in Öhringen

Festlich, fröhlich, nachdenklich, dankbar ging es dann eine Woche später in Öhringen zu.

„Die Welt braucht das Nagelkreuz“, hatte Dekanin Sabine Waldmann gleich zu Beginn ihrer Begrüßung festgestellt. Das wurde dann im weiteren Verlauf entfaltet. In einem Anspiel und einem selbstgedrehten Video von Jugendmitarbeitern sah man die Fans rivalisierender Fußball-Vereine übereinander herziehen, gefolgt von kreativen Ideen, wie mit Konflikten umgegangen werden kann. In seiner Predigt griff Ulrich Hägele, der Bezirksjugendpfarrer, die kleinen und großen Unversöhntheiten allein der vorangegangenen Tage auf, und nannte diese „eine Woche zum Haareraufen“, an der man eigentlich verzweifeln müsste. Dagegen setzte er Paulus‘ Worte aus dem 2. Korintherbrief, dass zu einer neuen Schöpfung gehört, wer im Glauben mit Christus lebt, sich versöhnen lässt und selber Botschafter der Versöhnung wird. Das Jugendwerk hat sich das längst schon zur Aufgabe gemacht. Die jährlichen internationalen Sommer-Camps oder die Möglichkeit, im Jugendwerk ein freiwilliges internationales Jahr zu absolvieren zeugen davon. Wie Gott durch seine Liebe Menschen verwandelt und das Neue schafft zog sich auch als roter Faden durch die Lieder, mitreißend begleitet von einer Band aus Jugendmitarbeitern, deren Musik und Gesang unter die Haut ging.

Das Nagelkreuz überreichten Mark Simmons als Vertreter Coventrys und Pfarrerin Antje Biller für die Deutsche Nagelkreuzgemeinschaft.

Wir heißen die Evangelische Kirchengemeinde Alt-Saarbrücken und das Jugendwerk Öhringen in der deutschen und internationalen Nagelkreuzgemeinschaft willkommen und freuen uns dankbar, dass ihr Engagement für Vielfalt und Versöhnung künftig unter dem Nagelkreuz stehen soll.