Aktivitäten & Berichte der Nagelkreuzgemeinschaft und der Nagelkreuzzentren.

Unterwegs in Richtung Versöhnung – Pilgerfahrt nach Coventry

Die Teilnehmer:innen der Pilgerfahrt noch Coventry. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Vom 27. bis 30. Mai 2025 fand die diesjährige Frühjahrs-Pilgerfahrt zur Kathedrale von Coventry statt – mit Teilnehmer:innen aus der Kirchengemeinde Stade, den Stadtkirchengemeinden Kassel und Hanau, der [Link->Stadtkirche Darmstadt] und der [Link->Stadtkirche Pforzheim] sowie aus Gemeinden in Brisbane (Australien), Los Angeles, Bristol und von der Organisation „Embrace the Middle East“. Leitungskreismitglied Christian Roß berichtet von einer intensiven Reise mit geistlichen Impulsen, Gesprächen über Versöhnung und vielen Begegnungen an einem Ort, der für unsere Gemeinschaft eine besondere Bedeutung hat.

Unsere Reisegruppe aus der Region Südwest ist bereits am Montagnachmittag in Coventry angekommen, und wir haben beim Abendessen erste Kontakte mit einer Pfarrerin aus Australien geknüpft. Den etwas verregneten Dienstag nutzten wir zu einem Besuch in Coventrys Transportmuseum, das die Geschichte Coventrys als Mobilitätszentrum erzählt und Einblicke in die Produktion von Fahrrädern und Autos gibt. Natürlich sind auch die Zerstörung und der Wiederaufbau der Stadt ein wichtiges Thema innerhalb des Museums – das hat uns auf die Tage in der Kathedrale eingestimmt.

Am Dienstagabend startete die Pilgrimage mit der Begrüßung, einem gemeinsamen Abendessen und einer Komplet. Im Laufe der kommenden Tage gab es ein dichtes und inspirierendes Programm. Es begann jeweils früh morgens um 8.30 Uhr mit dem Morgengebet und der Abendmahlsfeier.

Am Mittwoch erhielten wir eine Führung durch die Ruine der alten Kathedrale und durch die neue Kathedrale – in einer deutschsprachigen und einer englischsprachigen Gruppe. Wir lernten die besondere Architektur des Ensembles auf dem Kathedralhügel kennen und erfuhren viel über die Geschichte des Ortes, seine Kunstwerke und die ihnen innewohnende Geschichte von Tod und Auferstehung, von Zerstörung, Versöhnung und Wiederaufbau.

Dean John ging in seinem Vortrag zunächst auf die Versöhnungsarbeit an der Kathedrale ein, erläuterte ihre Grundsätze, Werte und Haltungen und stellte einige konkrete Versöhnungsprojekte und Initiativen der Kathedrale vor.

Es war beeindruckend zu sehen, wie die Kathedrale ausgehend von ihrer Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau ihre tägliche Arbeit lebt. Es wurde deutlich, welch transformative Kraft und kreative Energie aus der Ausrichtung auf diese Geschichte erwächst. Inspirierend war auch, mit welcher inneren Haltung alle Mitarbeiter:innen an der Kathedrale sich der Arbeit widmen. Deutlich spürbar war für uns alle der erste Grundsatz „Hospitality – Gastfreundschaft“, der alle Aktivitäten der Kathedrale als wichtigster Wert prägt – dicht gefolgt von Spiritualität und Gebet.

Auf die Vorstellung der Arbeit der Kathedrale folgte ein Gespräch über die biblischen Grundlagen der Versöhnungsarbeit und darüber, was Versöhnung eigentlich bedeutet. Es entspann sich auch eine Diskussion darüber, ob wir in der Nagelkreuzgemeinschaft eigentlich Pazifisten sein sollten oder uns als Friedensstifter betrachten. Dean John erklärte seine Haltung dazu: Friedensstifter zu sein, aber kein Pazifist – wie er es schon in seiner bemerkenswerten Predigt nach der Reise nach Odessa ausgeführt hatte. Auch diese Haltung begründete er aus der Geschichte und der Erfahrung der Kathedrale heraus.

Inhaltliche Arbeit an Versöhnungsthemen. Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Schließlich war nachmittags Platz für die Vorstellung der anwesenden Gemeinden und Werke, bevor der Tag mit einer gemeinsam gesungenen Komplet in deutscher Sprache nach lutherischer Tradition in der Kapelle „Christ the Servant“ endete.

Ein besonderer Dank sei schon hier den beiden Interns Constanze und Alwine ausgesprochen, die alles kompetent ins Deutsche bzw. Englische übersetzt haben, sodass auch Menschen, die im Englischen nicht so fit sind, gut folgen konnten.

Der Donnerstagmorgen war dem Schulnetzwerk ICONS gewidmet, und Alwine gab uns Einblicke in die Arbeit und die Programme, die Schulen im Versöhnungsnetzwerk zur Verfügung gestellt werden. Außerdem erfuhren wir Näheres zur Struktur, Organisation und Arbeit der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft von der Koordinatorin Alice Farnhill.

Mittags besuchten wir gemeinsam den Festgottesdienst zum Himmelfahrtstag in der Kathedrale.

Der Nachmittag war einem Pilgerweg über den Hilltop gewidmet, auf dem wir über Fragen von Krieg und Frieden und unsere Arbeit der Versöhnung anhand verschiedener Stationen meditiert haben. Wir besuchten gemeinsam mit dem Canon für Worship und Welcome, Nitano Muller, die Überreste der mittelalterlichen Abtei, die Trinitatiskirche, die Ruine der alten Kathedrale und endeten wiederum in der neuen Kathedrale.

Am Abend hatten wir dann noch die Gelegenheit, bei einer Probe der Glöckner im Turm der alten Kathedrale zuzuschauen. Das war etwas ganz Besonderes, denn die neun Glocken werden von Hand geläutet – und das auf eine sehr spezielle Art, die nur in England gepflegt wird. Eine Gruppe aus sieben Personen – vom Jugendalter bis ins Rentenalter – probte verschiedene Melodien und Läuteschemata. Ein besonderes Erlebnis!

Der Abschluss am Freitag war konkreten Fallstudien in der Versöhnungsarbeit gewidmet und wurde von David Porter geleitet, der lange Zeit Canon of Reconciliation in Coventry war. Auf beeindruckende Weise haben wir hier Versöhnungsarbeit im Kleinen wie im Großen besprochen: „Act local, think global“ – das war eine wichtige Erkenntnis dieses Vormittags. Mit einem gemeinsamen Mittagessen und der Verabschiedung endete eine intensive und inspirierende Zeit an der Kathedrale.

Neben dem umfangreichen Programm der Pilgrimage war natürlich auch der Austausch unter den Teilnehmer:innen in den Pausen, beim gemeinsamen Essen oder abends im Pub ein wertvoller Teil der Woche in Coventry!

Unsere Südwest-Reisegruppe ist erst am Samstag zurückgeflogen, sodass wir am Freitag noch Zeit für den Besuch der Herbert Art Gallery hatten und am Samstagvormittag noch das große Event mit vielen historischen Oldtimern in der Stadt erleben konnten. Hier wurden bei bestem Wetter auf allen Plätzen der Innenstadt und sogar innerhalb der Ruinen der Kathedrale private Oldtimer ausgestellt. Auch das versteht die Kathedrale unter Gastfreundschaft!

Ein Interview mit Teilnehmer Ingo Mörl lesen sie hier. Die nächste Pilgrimage findet vom 12. bis 15. November 2025 statt. Für Bewerber um ein Nagelkreuz ist die Teilnahme obligatorisch.

Autor: Christian Roß

 

Pfingstpredigt von Angelika Behnke in der Kathedrale von Coventry

Die neue Bischöfin von Coventry, Sophie Jelly. Foto: Coventry Cathedral/Jamie Gray

Am Pfingstsonntag 2025 predigte Angelika Behnke in der Kathedrale von Coventry. Behnke ist seit 2022 Frauenkirchenpfarrerin in Dresden – als erste Frau auf dieser Stelle. Am Vortag hatte sie gemeinsam mit Leitungskreismitglied Antje Biller an der Einführung der neuen Bischöfin von Coventry, Sophie Jelley, teilgenommen. Beide wirkten symbolisch an der Übergabe des Amtskreuzes mit. Zwischen der Frauenkirche und der Kathedrale von Coventry besteht eine enge Verbindung: Vor 20 Jahren wurde der Frauenkirche das Nagelkreuz von Coventry überreicht. Im Februar 2025 war Dean John Witcombe aus diesem Anlass in Dresden zu Gast und hielt dort die Predigt. In ihrer Auslegung von <Genesis 11,1–9> nimmt Angelika Behnke die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel zum Ausgangspunkt für eine theologische Reflexion über Sprachverwirrung, Machtanspruch und die befreiende Kraft gelebter Vielfalt. Nachfolgend lesen Sie die vollständige Predigt.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.

Es ist mir eine große Ehre, heute hier bei Ihnen in der Kathedrale sein zu können und an diesem hohen Feiertag zu predigen. Vielen Dank für die Einladung, lieber John!

Liebe Schwestern und Brüder,

man kann nicht nicht kommunizieren. Jeder Mensch, der sich irgendwann einmal mit den Grundlagen menschlicher Kommunikation beschäftigt, macht sich diese basale Aussage bewusst. Immer kommuniziert mensch, redet, auch wenn er und sie schweigt, sendet Signale durch Mimik und Gestik. Selbst jemand, der zur Salzsäule erstarrt, spricht Bände.

Sprachgewirr und Weltverstehen

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Und schon nehmen Missverständnisse ihren Lauf. Eine Geste, die in Süditalien Anerkennung ausdrückt, sollte in Norditalien tunlichst vermieden werden, da sie dort als beleidigend aufgefasst wird. In Deutschland als Kamel bezeichnet zu werden, ist wenig schmeichelhaft. Im Orient hingegen verdient ein menschliches Kamel hohen Respekt, weil das gleichnamige vierbeinige Geschöpf als ausdauernd, genügsam und anpassungsfähig gilt.

Doch ich liebe diese Vielfalt. Auch wenn ich mich mit ihnen mühe: Ich liebe Sprachen und deren Klang und höre sehr gern zu, wenn in Ferienregionen oder auf internationalen Flughäfen die Luft nur so schwirrt von unterschiedlichsten Sprachen, Stimmen, Dialekten und Sprechmelodien. Ich freue mich, dass die Welt größer ist als die meines Alltags. Dass da etwas spürbar wird von der einen großen und bunten Welt. Und wenn ich die Menschen beobachte, die in fremden Sprachen miteinander kommunizieren, ahne ich, dass die Inhalte ähnlich sind. Da tauscht man sich über dienstliche Angelegenheiten aus. Da werden leise Worte von Abschiedstränen begleitet. Da diskutieren Leute sehr emotional miteinander. Andere schauen gemeinsam in den Reiseführer und beraten ihre nächste Etappe.

Aber ich kenne auch das andere Phänomen: Durch verschiedene Umstände wurde ich im tiefsten Ägypten von meiner Reisegruppe getrennt. Ich sollte mit einem Taxi vom Reiseunternehmen zu unserer nächsten Unterkunft gebracht werden und dort die Gruppe wiedertreffen. Ich war mir nicht so ganz sicher, ob ich dort jemals ankommen werde, denn der Taxifahrer sprach nur ein paar Brocken Englisch und konnte mir nicht eindeutig vermitteln, ob er wirklich vom entsprechenden Reiseunternehmen beauftragt worden war…

Es ging alles gut – ich stehe heute hier in der Kathedrale, aber weiche Knie hatte ich damals doch, weil meine Arabischkenntnisse sich auf „Bitte, danke, guten Tag und auf Wiedersehen“ beschränkten. Sprache hatte in diesem Fall keine verbindende Funktion. Im Gegenteil: Die fremde Sprache löste Misstrauen und Beklommenheit aus.

Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke. Foto: Frauenkirche Dresden/Thomas Schlorke

Zurück nach Babel

In der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel sind die Folgen unterschiedlicher Sprachen noch weitreichender – ausgehend davon, welche Nebenwirkungen eine einheitliche Sprache haben kann.

Wir meinen diese Erzählung so gut zu kennen. Wenn von gigantischen Projekten die Rede ist, wo es um „höher, weiter, schneller, größer“ des Menschen geht, wird warnend auf den Turmbau zu Babel verwiesen. Vorsicht, Gott lässt sich nicht herausfordern! Nehmt euch in Acht vor Selbstüberschätzung!

Doch bei genauerem Hineinlesen entdecke ich, dass dies nicht die „Hauptschlagader“ dieser Erzählung ist. Etwas anderes treibt die Menschen zusammen – hinein in die zu errichtenden Mauern einer Stadt mit einem sehr hohen Turm. Noch im vorangehenden Kapitel werden die Vielsprachigkeit und Diversität der Völker gepriesen. Doch jetzt führt es hier zu der ganz menschlichen Angst, an Bedeutung zu verlieren, an Sicherheit und gemeinsamer Stärke. Unkenntlich zu werden in einer bunten Gemeinschaft.

Angst ist immer eine schlechte Beraterin, denn sie führt in die Enge. Menschen schotten sich ab und drängen auf das Sprechen mit einer Stimme und in einer Sprache. Natürlich in der eigenen. Sie wollen erkennbar bleiben und alles dafür tun, sich einen Namen zu machen. Doch wenn sich alle einen Namen machen, wie es in der Babel-Geschichte heißt: vor wem machen sie sich diesen dann? Besser gesagt: gegen wen?

Das Ansinnen richtet sich gegen Gott. Denn ihm wird nicht getraut. „Er hat uns aus dem Schutz des Gartens geworfen, bloß weil uns die Bäume der Erkenntnis und des Lebens so gelockt haben. Er hat uns der Vielfalt ausgesetzt. Aber das gibt doch nur Streit und Brudermord.“ Wir nehmen das lieber selber in die Hand: „Ich bin der Herr, mein Gott. Ich dulde keinen anderen Gott neben – und schon gar nicht über mir!“ Von mir soll man reden. Die Spitze des Turmes wird bis in den Himmel reichen. – Statthalter Gottes? In seinem Namen die Erde bebauen und kultivieren? Nein, selbst Gott! – Diese Anmaßung wird zur Dämonie. Der Anfang vom Ende.

Eine Sprache, ein Volk – ein Irrweg?

Angst vor einem Ausgesetztsein. Geschenkte Freiheit, die Angst macht – ein uraltes Thema, dessen Bearbeitung auch heute immer noch in die gleiche Richtung führt: zu Populismus und Hass allem Fremden gegenüber, zu Ausgrenzung und eingeschworenen Parolen, zu einem Denken in Schwarz-weiß. „Wohlan, lasst uns bauen: an engen Mauern, die uns in Sicherheit wiegen und an Grenzen, die unser Herz einzäunen, um es vor barmherzigen Anwandlungen zu schützen. Mit unseren Türmen kommen wir auch ohne Gott in den Himmel.“

Gott muss sich ganz tief herabbeugen, um zu sehen, was da eigentlich los ist. Jedenfalls haben die Turm-Erbauer noch auffällig viel Luft nach oben. Und Gott sieht zweierlei. Zum einen: den Traum aller Diktatoren. Eine Sprache – eine Stadt- bzw. Landfläche – eine Idee – ein Tun. Was für eine Katastrophe! Wenn die Welt nur eine Sprache hätte, welche Armut an Schönheit, Geist und Freude! Jede Sprache ist eine Welt, aber eine jede Einzelsprache ist ein Gefängnis. Gott schuf die Vielfalt und er freut sich über das vielstimmige Lob. Gott will, dass der Glaube denkt und singt, verschiedene Lieder, verschiedene Gedanken.

Zum anderen sieht Gott, wie die Menschen jedes Maß und alle Demut verlieren. – Um nicht falsch verstanden zu werden: Menschen sollen bauen, forschen, kultivieren und fortschrittlich sein. Aber es wird schief, wenn Gott die Menschen bewundern soll und nicht umgekehrt. Zu Dienst und Demut der Kinder Gottes gehört das Lob des Allmächtigen: Ihm allein ist nichts unmöglich! Der Mensch bleibe ein Mensch – und handle auch so. Er ist ein Wesen der Grenze und der Begrenzung. Sein Tun richte er an Gottes Willen aus. In dieses Tun greift Gott nun ein: „Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!“

Antje Biller (links) und Bischöfin Sophie. Foto: Coventry Cathedral/Jamie Gray

Gott verwirrt – zum Guten

Nun haben die Menschen ihre je eigene Sprache gefunden – und sind aneinander gewiesen, wenn sie sich begegnen, einander verstehen und die ihnen anvertraute Erde gestalten wollen.

Haben Sie es gemerkt, liebe Gemeinde? Gott straft nicht: der Turm wird nicht zerstört, die Stadt nicht abgebaut, die Menschen leben weiter. Gott straft nicht – er schützt! Er schützt uns vor Einseitigkeit und Abschottung im Denken und Tun. Er bewahrt uns vor uns selbst! Er schickt uns hinaus ins Offene, stellt unsere „Füße auf weiten Raum“ (Psalm 31,9). Er überträgt uns Verantwortung für seine Erde. Wir können und müssen uns nicht selbst durch unsere Werke einen Namen machen, der ja doch immer wieder mit Blut und Gewalt bezahlt werden würde.

Die Vielfalt der Sprachen, der Reichtum der Menschheit, die Weite des Denkens bleiben uns erhalten. Das ändert sich auch mit dem ersten Pfingstfest in Jerusalem nicht, von dem wir vorhin aus der Apostelgeschichte hörten. Es gibt keine neue Einheitssprache, sondern jeder redet weiter in seiner Sprache. Der göttliche Geist verbindet die Menschen über alle Sprachgrenzen hinweg. Denn Gottes Geist schenkt ein Verstehen, er ist ein Geist der Liebe. Nicht länger ist die Angst die Beraterin, sondern die Liebe.

Erstanden aus Ruinen, erfüllt vom Geist

Wir sagen manchmal über die Dresdener Frauenkirche, sie sei eine Osterkirche, weil sie zu neuem Leben erweckt wurde. Sie ist aber auch und vielleicht sogar zuerst eine Kirche des Pfingstfestes. Ich stelle mir nur mal kurz vor, was alles fehlen würde, wenn Gott diesen Bau einseitigen und ängstlichen Erbauern überlassen hätte. Die Frauenkirche in Dresden lebt von der Vielfalt und durch die Vielfalt der Sprachen und Völker. Das neue Kuppelkreuz vom britischen Volk, es wäre nicht da. Das Nagelkreuz, das damit verbundene Versöhnungswerk mit einstigen Feinden – nicht vorhanden. Ein Ort der Begegnung und Verständigung zwischen Ost und West, Nord und Süd – er wäre nicht da. Wir würden so manche gespendete Säule oder Tür und auch die Straßburger Orgel im Bauwerk vermissen! Die ganze Architektur hätte sich möglicherweise nicht an italienischen Vorbildern orientiert. Ganz zu schweigen von der internationalen Vielfalt und Schönheit der Musik. Nicht nur, aber besonders in dieser Kirche feiern wir den Reichtum der Sprachen und der Vielfalt und den Geist der Liebe, der uns alle verbindet und die Angst verbannt.

Ich spüre die Gemeinsamkeit mit dieser Kirche. Die Sankt-Michaelis-Kathedrale – wie die Frauenkirche ebenfalls eine Kirche des Pfingstfestes. Gottes Geist baut keine Türme, die in den Himmel ragen. Er baut Gemeinschaft unter uns. Er schenkt ein Verstehen der Herzen. Er wirkt Versöhnung und Frieden. Der Heilige Geist macht Mut zum Aufbruch in ein neues Leben. Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Pfingstfest!

Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen.

Es gilt das gesprochene Wort. Autorin: Angelika Behnke, Frauenkirchenpfarrerin, Dresden

 

Zwischen Friedensstiftern und Oldtimern – Interview mit Ingo Mörl über seine Pilgerfahrt nach Coventry

Ingo Mörl. Foto: Ev. Dekanat Darmstadt

Im Mai 2025 nahm Ingo Mörl aus Mühltal bei Darmstadt an der Frühjahrs-Pilgerfahrt zur Kathedrale von Coventry teil – gemeinsam mit einer Gruppe aus der Region Südwest und weiteren Teilnehmenden aus drei Kontinenten (darüber berichten wir [Link->hier]). Die Tage in Coventry haben ihn tief bewegt. Nach der Rückkehr entschloss er sich, Einzelmitglied unserer Gemeinschaft zu werden. Im Interview berichtet er, was ihn an der Pilgrimage besonders berührt hat, wie sein persönlicher Weg der Versöhnung aussieht, und warum Coventry für ihn mehr ist als ein geschichtsträchtiger Ort.

Hallo Ingo, möchtest Du Dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Ingo Mörl, und ich bin 66 Jahre alt. Ich wohne in Mühltal in der Nähe von Darmstadt. Bis zum November 2024 war ich seit 1984 beim Evangelischen Dekanat Darmstadt (Land) beschäftigt – zunächst in der Kinder- und Jugendarbeit, später in der Erwachsenen- und Familienbildung (Dipl. Rel. Päd.; Magister Artium). Ich bin verheiratet, habe zwei Töchter und drei Enkel. Meine Frau ist noch berufstätig und arbeitet als Gemeindepädagogin in Eberstadt.

Wie bzw. wann hast Du erstmals bewusst vom Nagelkreuz gehört?

Die Nagelkreuzarbeit kenne ich schon viele Jahre, weil ich immer regelmäßig zum Brandnachtgottesdienst am 11. September in die Stadtkirche Darmstadt gehe – ein jährlicher Gottesdienst zur Erinnerung an den verheerenden Bombenangriff im Jahr 1944. In den 80er Jahren war ich in der Friedensbewegung aktiv; damals ging es um die sogenannte NATO-Nachrüstung und die russische Bedrohung durch die SS-20-Raketen.

Warum hast Du an der Pilgrimage teilgenommen?

Ich habe viele Jahre lang deutsch-französische und deutsch-polnische Jugendbegegnungen organisiert. Von 1986 bis zum Fall der Mauer gehörten auch Begegnungen zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen dazu. Später, in der Erwachsenenbildung, standen Studienfahrten zu protestantischen Minderheiten in Europa auf dem Programm. Aufgewachsen in direkter Nachbarschaft von Wiesbaden-Erbenheim, dem heutigen Headquarter der USA für Europa und Afrika, ist mir auch der Kontakt zu Amerikanern nicht fremd.

Hattest Du bestimmte Erwartungen? Und wenn ja, wurden sie erfüllt?

Neuen Erfahrungen begegne ich immer mit niedrigen Erwartungen – aber ich bin neugierig und höre meinem Gegenüber gespannt zu. Ich bin tief beeindruckt von der Arbeit in Coventry. Sie ist keineswegs nur rückwärtsgewandte Erinnerungsarbeit, sondern sucht auch nach neuen Ansätzen der Versöhnungsarbeit in Konflikten unter Jugendlichen und Erwachsenen. Ich bin gespannt auf die Mitgliederversammlung in Münster.

Was hat Dir besonders gut gefallen bzw. Dich beeindruckt? Oder im Gegenteil?

Da könnte ich vieles nennen: das Oldtimer-Treffen in der Kathedrale oder das Transportmuseum – so etwas hatte ich gar nicht erwartet, und deswegen war ich ja auch nicht hingefahren. Besonders beeindruckt war ich von dem Vortrag von Dean John und seiner Feststellung: Wir sind keine Pazifisten, sondern Friedensstifter. Darüber würde ich gerne weiter nachdenken.

Hast Du etwas zur Gruppe bzw. den anderen Teilnehmenden aus insgesamt drei Erdteilen zu bemerken?

Beeindruckt war ich auch von der Versöhnungsarbeit in Australien mit den Aborigines und der Arbeit in Irland. Von mehrfachen Besuchen kenne ich die Arbeit von Iona in Schottland und Corrymeela in Irland. Dass Menschen eine so weite Reise auf sich nehmen, zeigt einmal mehr die auratische Ausstrahlung der Ruinen der Kathedrale in Coventry. Ich fühlte mich oftmals an den Disibodenberg (Hildegard von Bingen) erinnert.

Geht es weiter mit Dir und dem Nagelkreuz?

Ich habe meinen Antrag auf Mitgliedschaft abgesendet. Ich danke Christian Roß sehr für die Organisation der Fahrt nach Coventry und dafür, dass er nach dem Weggang von Pfarrer Knodt an der Stadtkirche in Darmstadt den Fortgang dieser wichtigen Arbeit gesichert hat. Ich fühle mich gut angekommen. Versöhnungsarbeit spielte in meiner Herkunftsfamilie eine große Rolle. Hier trafen Wehrmacht und Widerstand, Protestanten und Katholiken, Sozialdemokraten und Konservative, Hessen, Sudetendeutsche und Westpreußen aufeinander. Deswegen halte ich auch Kreisau in Polen und die Ideen des Kreisauer Kreises für einen sehr wichtigen Ort des Nachdenkens.

Die Fragen stellten die Mitreisenden Doris Hartwich und Gernot Härdt, Nagelkreuzzentrum Pforzheim/Stadtkirche, und Christian Roß, Nagelkreuzzentrum Stadtkirche Darmstadt.

 

Nagelkreuzgottesdienst auf dem Kirchentag

„Stehe ich denn an Gottes statt“ – Predigt von Klaus Majoress im Nagelkreuzgottesdienst beim Kirchentag 2025

„Kirche überfüllt“ stand auf dem Schild, das Pfadfinder:innen am 1. Mai vor St. Clemens in Hannover hochhielten. Kein Promi, kein Politiker – und doch kein Platz mehr frei. Die Menschen kamen, weil sie etwas suchten: Trost, Hoffnung, Versöhnung. In einer Zeit voller Krisen war dieser Gottesdienst ein starkes Zeichen: Der Wunsch nach Frieden ist lebendig. Die Liturgie führte durch Klage, Gebet und Musik zu einem mutigen Trotzdem-Glauben. Psalm 139, das Glaubensbekenntnis von Seoul und das Versöhnungsgebet von Coventry rahmten die Predigt von Klaus Majoress: Anhand der Geschichte von Josef und seinen Brüdern (1. Mose 50) zeigte er, dass Versöhnung möglich ist – wenn wir nicht an Gottes Stelle urteilen, sondern vergeben. „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen – aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Diese biblische Wende wurde zur Botschaft des Tages: Es gibt Hoffnung. Es gibt Versöhnung. Lesen Sie hier die Predigt zu 1. Mose 50, 15-21.

Liebe Gemeinde, „Und siehe, es war alles, alles gut!“ So endet Josef von Eichendorffs Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts. In diesem Satz mündet der phantastische Bericht einer aufregenden Reise voller Leiden und Verwirrung, voller Schuld und Versagen. „Und es war alles, alles gut!“ Solche Schlusssätze wünscht sich wohl jeder von uns für die Geschichte seiner eigenen Wanderungen – für die Wanderungen, zu denen wir oft mit klaren Zielen aufbrechen und in deren Verlauf wir doch auf Abwege und Irrwege geraten. Wir erfahren Schuld und werden schuldig. Wir leben uns auseinander: Brüche, Versagen, Versäumnisse … Ich könnte die Reihe grenzenlos fortsetzen – umso mehr, wenn ich auf das bedrückende Geschehen in der Weltgeschichte schaue, nicht nur in unseren Tagen. Wenn wir am Ende wenigstens sagen könnten: „Und es war alles, alles gut!“ Dann könnten wir die Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten auf uns nehmen, dann könnten wir mit Schuld und Versagen leben, dann könnten wir unseren Weg festen Schrittes und zügigen Ganges gehen. Aber wer kann das schon?

Beten und Feiern unter dem Nagelkreuz Foto: Stefan Schick

Beten und Feiern unter dem Nagelkreuz Foto: Stefan Schick

Aber anscheinend gibt es das, auch wenn es uns fremd klingt. Anscheinend gibt es das: am Ende einer Lebensgeschichte, die von viel Schuld und Bösem gekennzeichnet ist, in der Neid und Feindschaft zu schlimmen Verstrickungen führten. Es ist die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. Was war geschehen? Rufen wir uns noch einmal ein paar Momente dieser eindrücklichen Erzählung in Erinnerung. Es begann damit, dass Jakob Joseph als seinen Lieblingssohn behandelte, ihn offenkundig bevorzugte. Das erzeugte Selbstüberschätzung bei Joseph, aber auch Neid bei seinen Brüdern. Er träumte von der Herrschaft über die Brüder und den Vater. Die Brüder aber duldeten die Überordnung Josephs nicht. Sie planten, ihn bei der erstbesten Gelegenheit umzubringen. Nur weil Juda und Ruben, die älteren Brüder, die anderen vom Mord abhielten, wird Joseph in eine Zisterne geworfen und als Sklave nach Ägypten verkauft. Die Brüder decken ihre Untat des Menschenhandels gegenüber ihrem Vater mit der Lüge von einem tödlichen Unfall zu. Keiner spürt Erbarmen mit dem Opfer, keiner übt Solidarität. Alle finden es richtig.

Ohne es zu wissen, treffen die Brüder nach vielen Jahren wieder auf ihr Opfer. Diesmal sind sie die Bittsteller – Wirtschaftsflüchtlinge, würde man heute wohl sagen. Sie bitten um Korn, da eine Hungersnot in Israel herrschte und die Getreidespeicher in Ägypten dank der klugen Vorratswirtschaft voll sind. Joseph ist inzwischen durch seine Traumdeutungen zu hohem Ansehen am pharaonischen Königshof gelangt. Er gibt sich nicht zu erkennen und versöhnt sich auch nicht mit den Brüdern, vielmehr lässt er sie die ganze Härte seiner Machtposition spüren. Er wirft ihnen Spionage vor, zwingt sie, von der Familie zu sprechen, zwingt sie, den jüngsten Bruder Benjamin zu holen. Er lässt sie spüren, wie es ist, wenn man unbarmherziger Willkür ausgesetzt ist, stellt ihre Familiensolidarität auf die Probe.

Und es geschieht das Dramatische: Die Brüder kommen zur Einsicht ihrer Schuld. Wahrlich, wir sind schuldig gegenüber unserem Bruder, dessen Herzensangst wir sahen, als er uns anflehte, aber wir haben nicht darauf gehört. Darum kommt diese Not jetzt über uns. Und genau an diesem Punkt geschieht das Entscheidende, liebe Gemeinde, das Eigentliche der Geschichte. Genau an diesem Punkt führt uns diese Geschichte in das Zentrum biblischen Glaubens. Aber Joseph weinte! Und er sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht, stehe ich denn an Gottes statt? (Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich ein großes Volk am Leben zu erhalten. So fürchtet euch nicht, ich will euch und eure Kinder versorgen.) Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Wie entscheidend, liebe Gemeinde, ist diese Kehrtwende, wie entscheidend dieser Augenblick. Joseph reagiert nicht mit Vorwürfen, nicht mit Bestrafung, nicht mit weiteren Verstrickungen. Nein: Er weinte! Genau da geschieht Versöhnung: Joseph weiß um Gottes Heilsplan, der ein großes Volk am Leben erhalten will. Und er weiß, dass er selbst nicht unbeteiligt ist an der Schuldgeschichte seiner Familie und dass es letztlich nur Gottes Urteil sein kann, das über unserem Leben gesprochen wird. Das lässt ihn frei werden für Vergebung und Versöhnung, das macht ihn frei für einen neuen Anfang.

Und beides, liebe Gemeinde, führt in die Freiheit der Gotteskindschaft, beides eröffnet Zukunft, lässt uns nach vorne blicken, lässt unseren Weg weitergehen, lässt Vergangenes Vergangenheit sein. Es verharmlost Schuld nicht, aber es lässt Versöhnung zu. Fürchtet euch nicht, stehe ich denn an Gottes statt? Oder, um es mit der Kirchentagslosung zu sagen: mutig, stark, beherzt – „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und stark. Alle eure Dinge lasst in Liebe geschehen.“ So diese Worte im 1. Korintherbrief, Kapitel 16, aus denen das Kirchentagsmotto stammt.

Vokalensemble „Les voix parlantes“ Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Vokalensemble „Les voix parlantes“ Foto: Nagelkreuzgemeinschaft

Da, liebe Gemeinde, setzt Versöhnung an. Stehe ich denn an Gottes statt? Habe ich denn das Recht, ein endgültiges Urteil über einen Menschen zu sprechen? Vielleicht liegt Thomas Mann nicht so ganz schief, wenn er am Ende seines Romans Joseph und seine Brüder Joseph sagen lässt: Aber wenn es um Verzeihung geht unter den Menschen, so bin ich’s, der euch darum bitten muss – denn ihr musstet die Bösen spielen, damit alles so käme.

Trotz all unserer gegenteiligen Erfahrung bleibt Versöhnung der Anspruch Gottes an uns. In einer Zeit, in der sich die Gottvergessenheit immer tiefer festsetzt, dürfen wir den Menschen die Botschaft von Gottes Nähe nicht verweigern, können wir das Wort von der Versöhnung nicht bei uns behalten. In einer Zeit, in der sich viele nicht nur gegen die Versöhnung Gottes sperren, sondern auch unversöhnlich miteinander umgehen, bekommt die Rolle als Botschafter an Christi statt klare Konturen. Das Wort von der Versöhnung wartet darauf, dass wir ihm mit unserem Leben entsprechen – mutig, stark und beherzt.

„Es war alles, alles gut“ – ob es das gibt? Die Antwort entscheidet sich daran, ob wir fragen: Stehe ich denn an Gottes statt? Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Autor: Klaus Majoress, Superintendent a. D., Nagelkreuzzentrum Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg

 

Mehr als 1.000 Besucher:innen an unserem neuen Stand auf dem Kirchentag

Er war nicht zu übersehen: Unser neu konzipierter Informationsstand feierte beim Evangelischen Kirchentag 2025 in Hannover Premiere – und wurde zum Publikumsmagnet. Drei Tage lang war unser großer Stand auf dem Markt der Möglichkeiten in Halle 5 durchgehend gut besucht: Über 1.000 Menschen kamen mit uns ins Gespräch, bastelten Nagelkreuze, lösten unser Versöhnungsgebets-Quiz oder nahmen ein Statement für TikTok auf.

Rund 20 Freiwillige aus Zentren in ganz Deutschland haben den Stand engagiert betreut – mit Begeisterung, Kompetenz und einem offenen Ohr für die vielen Fragen und Eindrücke der Besucher:innen. Unsere Giveaways waren heiß begehrt, besonders die Postkarten mit dem Versöhnungsgebet. Zahlreiche Gespräche drehten sich um die persönliche Bedeutung von Versöhnung und darum, wie sich aus Schuld und Fremdheit neue Verbindungen schaffen lassen.

„Versöhnung ist…“ auf TikTok

Die beiden beleuchteten Pixlip-Displays zogen die Blicke bereits von Weitem auf sich. Das mehrsprachige Rätsel zum Versöhnungsgebet wurde gerne als Einstieg in weiterführende Gespräche genutzt. Die interaktive Landkarte am Touchscreen ermöglichte es, sich durch das Netzwerk der Nagelkreuzzentren zu klicken – so entstanden neue Kontakte und Ideen für gegenseitige Besuche oder Kooperationen. Ein Highlight war das Social-Media-Angebot: Viele Jugendliche – aber nicht nur – nahmen die Gelegenheit wahr, ein eigenes Statement zu filmen: „Versöhnung ist …“. Sie sind nach wie vor auf unserem TikTok-Kanal anzusehen.

Unsere Gemeinschaft ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. In Deutschland stehen inzwischen mehr als 80 Nagelkreuze. Dieser Entwicklung und der damit verbundenen wachsenden Bedeutung wollten wir auch auf dem Kirchentag Ausdruck verleihen. Der Vorstand hat sich deshalb entschieden, unseren Auftritt deutlich zu vergrößern und mit einem neuen, inhaltlich wie visuell überzeugenden Standkonzept aufzutreten.

Stand ab sofort auch zur Ausleihe verfügbar

Die starke Nachfrage hat gezeigt: Diese Entscheidung war richtig. Der großzügige Aufbau hat nicht nur Raum für mehr Begegnung und Gespräche geschaffen, sondern auch neue kreative Formate ermöglicht. Und: Die Investition lohnt über den Kirchentag hinaus. Der neue Stand steht ab sofort allen interessierten Zentren zur Ausleihe zur Verfügung. Wer also eine eigene Ausstellung, einen Gottesdienst oder ein Bildungsformat plant, kann den Stand nutzen, um die Idee des Nagelkreuzes sichtbar zu machen. Weitere Informationen zur Ausleihe finden Sie hier in unserem Service-Angebot.

Autor: Niels Faßbender

Mutig, stark, beherzt: Die Nagelkreuzgemeinschaft auf dem Kirchentag in Hannover

St. Clemens (Foto: Nagelkreuzgemeinschaft)

Wenn tausende Menschen in Hannover zusammenkommen, um unter dem Motto „mutig – stark – beherzt“ ihren Glauben zu leben, Fragen zu stellen und neue Wege zu suchen, ist auch die Nagelkreuzgemeinschaft mit dabei. Wir laden herzlich ein, unsere Arbeit kennenzulernen, mit uns ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Zeichen der Versöhnung zu setzen – in einem Gottesdienst, an unserem Stand auf dem Markt der Möglichkeiten und bei einer Friedensaktion für Kinder und Familien.

Gottesdienst „Beten und Feiern unter dem Nagelkreuz

Donnerstag, 1. Mai 2025, 14:00 Uhr, Kirche St. Clemens

Im Mittelpunkt des Kirchentagsgottesdienstes der Nagelkreuzgemeinschaft steht die Geschichte von Josef und seinen Brüdern – eine biblische Erzählung über Schuld, Versöhnung und die befreiende Kraft, nicht im Hass stehenzubleiben. „Stehe ich denn an Gottes statt?“ – fragt Josef, als seine Brüder um Vergebung bitten. Wie können wir diese Frage heute für uns beantworten – „Mutig“ den Herausforderungen der Versöhnung ins Auge sehen, „stark“ sein im Vertrauen auf Gottes Zusage, dass Frieden möglich ist, „beherzt“ eine neue Zukunft wagen? Die Liturgie umfasst Lesung, Predigt, Musik und Stille. Das Glaubensbekenntnis von Seoul und das Versöhnungsgebet von Coventry geben dem Gottesdienst eine internationale Dimension. Anschließend besteht bei Gebäck und Getränken Gelegenheit zum Kennenlernen, Wiedersehen und Gespräch.

Foto: Kirchentag

Stand auf dem Markt der Möglichkeiten

Halle 5, Stand 5-J29 – täglich von 10:30 bis 18:30 Uhr

Die Nagelkreuzgemeinschaft präsentiert sich auf dem Kirchentag mit einem völlig neu gestalteten Stand – doppelt so groß wie in den vergangenen Jahren und offen für vielfältige Formen der Begegnung. Besucherinnen und Besucher erwartet ein Ort der Information, der Inspiration und des Mitmachens. Das Nagelkreuz und das Versöhnungsgebet von Coventry bilden den geistlichen Mittelpunkt. Auf Infotafeln werden die Geschichte und weltweite Wirkung unserer Gemeinschaft anschaulich gemacht. An zwei Touchscreens können Interessierte durch aktuelle Projekte und eine interaktive Landkarte aller Nagelkreuzzentren navigieren. Wer möchte, kann an einer kleinen Station ein eigenes Nagelkreuz basteln oder beim Gebetsquiz sprachliche Vielfalt spielerisch entdecken. Außerdem werden Besucherinnen und Besucher eingeladen, ein kurzes Videostatement zum Thema „Versöhnung ist…“ aufzunehmen – für unseren Social-Media-Kanal, als zeitgemäße Stimme des Friedens mitten im Trubel des Kirchentags. Das Standteam freut sich auf Gespräche, Fragen und neue Impulse – und auf alle, die neugierig sind darauf, was Versöhnung heute bedeuten kann.

Friedensaktion „Kraniche für Hiroshima“

Donnerstag, 1. Mai 2025, 11:00–12:00 Uhr, Zentrum Kinder und Familien, Maschstraße 22–24, EG Raum 2

Grafik: Michaeliskloster Hildesheim

Sadako, ein junges Mädchen aus Hiroshima, glaubte fest daran: Wenn sie 1000 Papierkraniche faltet, kann ihr Wunsch nach Heilung und Frieden in Erfüllung gehen. Ihre Geschichte wurde zu einem weltweiten Symbol – gegen Krieg und Gewalt, für Hoffnung und Versöhnung. Auch in Hannover, der Partnerstadt Hiroshimas, wollen wir ein Zeichen setzen: Gemeinsam mit dem Michaeliskloster Hildesheim, dem CVJM Hannover, dem Amt der EKD und der Nagelkreuzgemeinschaft laden wir Kinder, Familien und alle Interessierten ein, Kraniche zu falten.

11:00 Uhr: Kraniche falten mit Kindern und Erzählen von Sadakos Geschichte.

11:30 Uhr: Gemeinsamer Aufbruch zur Aegidienkirche.

11:45 Uhr: Gedenken an der Hiroshima-Glocke mit einem Nagelkreuzgebet in einfacher Sprache und einem Segen.

Ein niedrigschwelliges, liebevoll gestaltetes Angebot, das Kindern den Gedanken der Versöhnung kreativ und berührend nahebringt.

Haben wir ein Angebot übersehen? Haben Sie Fragen? Dann schreiben Sie uns gerne: redaktion@nagelkreuz.de. Wir freuen uns auf ein Kennenlernen oder ein Wiedersehen in Hannover.

 

Regionaltreffen Südwest: Pilgerwege und Gemeinschaft in Saarbrücken

Die Teilnehmenden des Regionaltreffen Südwest am Nagelkreuz der Ludwigskirche mit kriegsbeschädigter Apostelfigur Jakobus d. Ä. (Foto: Matthias Engesser)

Eine historische Kirche, ein besonderer Anlass und viele inspirierende Begegnungen – das Regionaltreffen Südwest der Nagelkreuzgemeinschaft führte die Teilnehmer 2025 nach ->Saarbrücken, den westlichsten Punkt der Region. Pfarrer Thomas Bergholz hatte zum 250. Jubiläum der Ludwigskirche eingeladen, und zwölf Mitglieder unserer Gemeinschaft trafen sich am 22. März zu Austausch und Pilgerwanderung. Hier ihr spannender Bericht.

Um zehn Uhr begann der Tag im Café Catherine, das sich in der ehemaligen Fürstengruft der Kirche befindet. Dort gab uns Pfarrer Bergholz einen kurzen Einblick in die Geschichte der Kirche und in die Versöhnungsarbeit der Gemeinde. Diese liegt besonders im interkonfessionellen und zunehmend auch im interreligiösen Dialog. Danach machten wir uns gemeinsam mit zwei Gästen aus Saarbrücken auf den Pilger-Weg durch Alt-Saarbrücken. Die Idee zu diesem Weg war ursprünglich für eine „Nacht der Kirchen“ entstanden.

Austausch im Café Catherine in der Krypta der Ludwigskirche (Foto: Christian Roß)

Unser Weg führte über den Ludwigsplatz, auf dem an diesem Samstag der große Wochenmarkt stattfand. Mit einem großen ökumenischen Osterfeuer beginnt auf diesem Platz traditionell die Osternacht. Nach dem gemeinsamen Beginn ziehen von dort alle Konfessionen zur Osternachtfeier in Prozessionen in ihre Kirchen. Auf der anderen Seite des Platzes steht die Friedenskirche. Sie wurde, genau wie die Ludwigskirche, im Barockstil erbaut. Thomas Bergholz erzählte uns von ihrer bewegten Geschichte. Anfangs war sie eine reformierte Kirche. Später wurde das Gebäude als Schulhaus genutzt. Seit 1890 dient es der Alt-Katholischen Gemeinde als Kirche und Versammlungsraum. Ausgehend von Johannes 14,27: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ endete der Besuch des Alt-katholischen Gotteshauses mit einer Meditation über Frieden und die Gesichter des Friedens.

Unser Weg führte vorbei am Denkmal für Organspenderinnen und Organspender. Dort hielten wir mit Johannes 15,13 inne: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lasse für seine Freunde.“ In Saarbrücken hat dieser Vers eine durchaus belastete Vergangenheit. Zwischen 1918 und 1945 war er als Inschrift am Altar der Ludwigskirche angebracht und diente einem fragwürdigen „Heldengedenken“. Auch die nächste Station gab uns Anlass, über den Umgang mit der Vergangenheit zu diskutieren: Die Aufschrift auf dem Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs lässt eher an ein Kriegerdenkmal denken. Uns wurde deutlich, wie schwierig es ist, ein angemessenes Gedenken zu gestalten, und wie herausfordernd der Umgang mit historischen Gedenkorten ist, die Fragen aufwerfen und heutiger Gedenkkultur eher fremd sind.

Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stießen wir auf die katholische Pfarrkirche St. Jakob. Bereits ihr Name weist auf ihre besondere Bedeutung für Pilger hin. Direkt am Jakobsweg gelegen, ist sie „Pilgerkirche am Weg“. Dies wird auch durch die Jakobsmuschel sichtbar, die in der Fassade eingelassen ist. Trotz dieser Funktion – in Saarbrücken scheint manches anders zu sein als andernorts – ist die Kirche meist geschlossen, während die evangelische Ludwigskirche täglich lange geöffnet ist. Ein Zutritt zur Kirche blieb unserer Pilgergruppe daher verwehrt.

Stuckdetail in der Mitte der Ludwigskirche, zugleich Mitte der ehemaligen Barockstadt ( Foto: Christian Roß)

Extra für uns geöffnet wurde hingegen die Immanuel-Kirche der Selbständig Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), nur wenige hundert Meter entfernt. Dort begrüßte uns Pfarrer Johannes Achenbach gemeinsam mit einigen Konfirmanden. Die kleine Kirche entstand 1902 im neuromanischen Stil. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie stark beschädigt, danach in ihrer heutigen Form wiederaufgebaut. Besonders beeindruckten uns die beiden Fenster des Künstlers György Lehoczky aus den Jahren 1953/54. Sie schmücken die Chorapsis und zeigen Mose bei der Übergabe der Gebotstafeln und Jesus bei der Bergpredigt. Pfarrer Achenbach gab uns außerdem Einblicke in die Struktur und Arbeit der SELK.

Nächste Station war das ehemalige Gemeindehaus der Ludwigskirche, vor deren Eingang ein Teil einer der im Krieg beschädigten großen Figuren vom Dach der Ludwigskirche steht. Eine dieser Figuren ist wieder in die Ludwigskirche gebracht worden, wo sie in einer Nische mit dem Nagelkreuz symbolisch für die Zerstörung der Kirche steht. Letzte Station war der alte lutherische Friedhof, der bereits seit 200 Jahren aufgelassen ist und heute als Parkplatz dient. Direkt an einem aufsteigenden Felsen gelegen, findet sich als Erinnerung nur noch eine Plakette, die auch an die letzte Ruhestätte des Architekten der Ludwigskirche erinnert.

Anschließend nahm unsere Gruppe am ökumenischen Mittagsgebet teil. Diese Andacht findet jeden Samstag um 12 Uhr in der Ludwigskirche statt. Gestaltet wird sie von wechselnden Personen. Ein fester Bestandteil ist dabei stets das Versöhnungsgebet von Coventry. Nach dem Gebet folgt wöchentlich eine etwa 15-minütige „Musik zur Marktzeit“. Diese spielte an diesem Samstag der deutsch-dänische Organist Tobias Naumann aus Brönderslev (Dänemark). Im Anschluss daran führte Pfarrer Thomas Bergholz durch die frisch renovierte und eindrucksvoll rekonstruierte Ludwigskirche. Unsere Gruppe nahm gern an dieser kurzen öffentlichen Führung teil.

Altar, Kanzel und Orgel in der frisch sanierten Ludwigskirche (Foto: Christian Roß)

Nach einem gemeinsamen Mittagessen begann der Austausch mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Vertreten waren etablierte Zentren wie Pforzheim-Huchenfeld, Stadtkirche Pforzheim, Stadtkirche Darmstadt, der Kirchenkreis Esslingen sowie das gastgebende Zentrum Saarbrücken. Außerdem nahmen neue und interessierte Zentren teil. Pfarrer Jörg Seiter ist bereits Einzelmitglied der Gemeinschaft. Er leitet den Kooperationsraum Blankenloch-Stutensee-Weingarten, der am 26.10. das Nagelkreuz erhalten wird. Alexander Classen vertrat den Kirchenvorstand der Frankfurter Paulsgemeinde. Diese Gemeinde wird am 24.10. offiziell in die Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen. Ihr Nagelkreuz erhält seinen Platz in der Alten Nikolaikirche am Römer. Pfarrer Tim van de Griend, ebenfalls langjähriges Einzelmitglied, stellte seine Gemeinde vor. Er möchte die Evangelisch-Reformierte Französische Gemeinde Frankfurt in die Nagelkreuzgemeinschaft führen. Er berichtete von ihrer spannenden Geschichte sowie der aktuellen diakonischen und international verbindenden Arbeit. Zum Schluss berichtete Christian Roß über die Arbeit in Leitungskreis und Vorstand.

Gegen 17 Uhr endete das inspirierende und gelungene Regionaltreffen. Einige Teilnehmer:innen blieben noch etwas in Saarbrücken und nutzten die Gelegenheit, die Stadt näher zu erkunden. Das nächste Regionaltreffen Südwest soll 2026 in Darmstadt stattfinden. Dann feiert die Stadtkirche ihr 50-jähriges Nagelkreuzjubiläum und lädt aus diesem besonderen Anlass herzlich ein.

Autor: Christian Roß

Versöhnung braucht Erinnerung: Regionaltreffen Nord in Demmin

Garten der Erinnerung in Demmin (Foto: Robert Fingerloos)

Am 22. März 2025 traf sich die Region Nord in Demmin. Eingeladen hatte die Evangelische Kirchengemeinde. Im Mittelpunkt der Begegnung stand das Thema „Frieden und Versöhnung“ – in einer Stadt, die selbst auf erschütternde Weise mit den Folgen von Krieg und Gewalt verbunden ist. Gemeinsam mit Gästen aus den Nagelkreuzzentren der Insel Hiddensee, Rostock, Stralsund, Kiel und Hamburg wurde an Demmins schwierige Geschichte erinnert – und über aktuelle Versöhnungsarbeit gesprochen.

Zum Auftakt wurde im Sexagon des Elsa-Brändström-Hauses der Film „Eine Stadt bricht ihr Schweigen“ (1995) der Fernsehjournalistin Ingelis Gnutzmann gezeigt. Der Film dokumentiert die langjährige Sprachlosigkeit in Demmin über die Geschehnisse der letzten Kriegstage und lässt erstmals Zeitzeugen zu Wort kommen, die über den Massensuizid von mehreren Hundert Menschen im Mai 1945 berichten. Auslöser waren damals unter anderem die Angst vor Racheakten der heranrückenden sowjetischen Truppen sowie das verbreitete Gefühl von Ausweglosigkeit nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes.

Regionaltreffen in Demmin (Foto: Robert Fingerloos)

Im anschließenden Gespräch tauschten die Teilnehmer ihre Eindrücke zum Film und ihre Gedanken zu den Ereignissen im April und Mai 1945 aus. In dieser Zeit kam es in Demmin zum größten Massensuizid in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Vor dem Einmarsch der Roten Armee zerstörten deutsche Truppen die Brücken über die Peene. In der Folge brach Panik unter der Zivilbevölkerung aus, die von Gerüchten und Erinnerungen an frühere Gräueltaten geprägt war. Hunderte Menschen – darunter ganze Familien – nahmen sich das Leben, meist durch Ertrinken oder Gift.

Stadtführung mit Kathrin Werner (Foto: Robert Fingerloos)

Nach einer gemeinsamen Mahlzeit mit selbstgekochten Suppen führte Frau Dr. Kathrin Werner, Historikerin und Geschichtslehrerin am Gymnasium in Demmin, die Gäste sowie interessierte Demminer:innen durch die Stadt. Auch hier stand die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kriegsendes im Mittelpunkt. Eine Station war der „Garten der Erinnerung“ nahe des Hanseviertels. Die schlichte Gedenkstätte wurde auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern geschaffen und erinnert an die Toten vom Frühjahr 1945. Sie ist ein Ort des stillen Gedenkens und der Mahnung.

Beim anschließenden Kaffeetrinken im Gemeindehaus berichtete Arne Bölt aus Rostock, Ansprechpartner der Region Nord, über aktuelle Versöhnungsprojekte. Er wird am 6. Mai im Rahmen der Veranstaltungsreihe *Demmin ist mehr* erneut in Demmin zu Gast sein. Den Abschluss des Tages bildete ein Friedensgebet, das von Pastorin Frau Voll in der Taufkapelle der St. Bartholomaeikirche geleitet wurde.

Autor: Robert Fingerloos

Drei Tage in Dresden – Auf den Spuren der Versöhnung

Die Wuppertaler Delegation (v. l. n. r.): Bruno Hensel, Susanne Kapp, Carin Hell, Sigrid Runkel, Pfarrer Frank Schulte. Foto: Frank Schulte

Im Februar 2025 reisten fünf Mitglieder unseres Nagelkreuzzentrums Gemarker Kirche in Wuppertal nach Dresden, um am Gedenken zum 80. Jahrestag des Luftangriffs auf das Elbflorenz teilzunehmen. Die Verbindung zwischen der Gemarker Kirche und den Dresdener Christen ist tief verwurzelt: Hugo Hahn, der 1934 Pfarrer an der Frauenkirche war, hielt die Eröffnungspredigt bei der Barmer Synode in Barmen. Hier der Bericht der Wuppertaler Delegation:

Drei Tage Dresden und fünf Nagelkreuzzentren – eine sportliche Herausforderung, die wir uns vorgenommen haben. Zum 80. Jahrestag des Bombardements von Dresden am 13. Februar 1945 sind wir auf den Spuren von Versöhnung, Verständigung und Wiederanfang nach den Kriegserfahrungen, die nur scheinbar lange zurückliegen. Direkt nach unserer Ankunft sind wir zu Gast in der Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden. Diese Diakonissenanstalt in der Äußeren Neustadt, zwischen Bautzner Straße und Holzhofgasse, gehört zu den ältesten ihrer Art in Deutschland und wurde 1965 als in die Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen. Hier erfahren wir von der englischen Wiederaufbauhilfe, von spürbarer, praktischer Versöhnungsarbeit, und von der Unterstützung in Rumänien. An allen Stationen des Krankenhauses sind Nagelkreuze zu sehen, die die Versöhnungsarbeit aus diakonischer Perspektive verdeutlichen. Wir genießen die Gastfreundschaft der Mitarbeiter und haben anregende Gespräche über die Zukunft der Nagelkreuzarbeit.

Am nächsten Morgen, dem Erinnerungstag, sind wir in die Frauenkirche eingeladen. Prince Edwad, Duke of Kent und Mitglied des britischen Königshauses, ist ebenfalls zu Gast. Von Pfarrerin Behnke erfahren wir mehr über die Versöhnungsarbeit an der Frauenkirche, einem besonderen Ort mit einem besonderen Auftrag. Rechtzeitig zur Gedenkveranstaltung kehren wir zurück, um im dichten Schneetreiben daran erinnert zu werden, dass „Zukunft durch Erinnern“ nur möglich ist, wenn wir die Vergangenheit anerkennen. Nachdenklich und auch ein wenig begeistert reihen wir uns in die Menschenkette zum Schutz von Frieden und Demokratie ein. Hand in Hand mit vielen anderen Menschen stehen wir hier – Versöhnung ist praktisch, menschlich und ein gemeinsames Handeln. Dies ist eindrucksvoll spürbar im Schnee, vor der schönen Kulisse der Frauenkirche und der dunklen Vergangenheit.

Kurz vor 22:00 Uhr läuten alle Glocken der Frauenkirche. Der Schnee fällt weiter, und in der Kirche nehmen wir an der „Nacht der Stimmen“ teil. Bürger der Stadt, Gäste, Chor und Orgel erinnern an die schreckliche Nacht vor 80 Jahren und die Dunkelheit, die das alles erst möglich gemacht hat. Die Zerstörung Dresdens – eine Radierung von Churchill nach einer Vorlage Hitlers. Der Satz trifft und wird zu einem kraftvollen Ausdruck für vieles, das das Unsagbare in Worte fasst. Victor Klemperer, Durs Grünbein, John Witcombe, der Dean von Coventry, Orgel und Chor – Stimmen aus Vergangenheit und Gegenwart. Erinnerungen vermischen sich, die Lebenden erinnern sich an die Toten und die Toten erinnern uns an das Leben. Lichter brennen, es schneit. Versöhnung hat eine eigene, schwere Schönheit.

Am Morgen danach besuchen wir die Kreuzkirche, den Ausgangspunkt der Proteste in Dresden in den 1980er Jahren. Lichtermärsche zur Ruine der Frauenkirche damals und die Nagelkreuzandacht heute gehören zusammen. Versöhnung ist politisch, sie verändert und kreist um die schweren Themen des Lebens – Krieg in der Ukraine, Israel und Palästina.

Leider können wir den Denkraum der Sophienkirche wegen des Wetters nur von außen betrachten. Diese Gedenkstätte soll nicht nur an die 1945 zerstörte Sophienkirche erinnern, sondern auch an die Opfer der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 und an den Widerstand der evangelischen Bevölkerung Dresdens „in der Zeit zweier Diktaturen von 1933 bis 1989“. Ein sehr schöner Ort, an dem Nagelkreuz-Versöhnungsarbeit sichtbar wird. Besonders die Kunstwerke, darunter Triptychen von Otto Dix und Hans Grundig über Krieg und Nazizeit, bleiben eindrücklich. Vielleicht hilft die Ästhetik, sich dem Grauen zu stellen.

Zum Abschluss unseres Besuchs erreichen wir Nr. 5 – Maria am Wasser. Eine evangelisch-lutherische Kirche im Dresdner Stadtteil Hosterwitz, die durch die persönliche Beziehung einer Pfarrerin zu Coventry das Nagelkreuz und die Versöhnungsarbeit nach Dresden holte. Hier entsteht und entwickelt sich eine Partnerschaftsarbeit mit Polen und England sowie das Engagement für taubblinde Menschen.

Fünf Nagelkreuze haben wir besucht, fünf Zentren – und doch noch viel mehr Menschen, die auf der Spur von Versöhnung und Verständigung sind. Warum fünf in Dresden? Vielleicht, weil die ausgestreckte Hand der Versöhnung fünf Finger hat.

Autor: Frank Schulte

PeaceNight – Friedensmomente in Öhringen

Der YouC-Chor gestaltete zusammen mit der Band den Abend musikalisch. (Foto: Milena Sargsyan/Dorothea Färber)

Der Altar lud zum Gebet für Frieden ein. (Foto: Milena Sargsyan/Dorothea Färber)

Am 15. Februar 2025 lud das Evangelische Jugendwerk Öhringen zur PeaceNight ins Evangelische Rosenberggemeindehaus ein – ein Abend voller Musik, bewegender Geschichten und hoffnungsvoller Gebete unter dem Motto „Peace starts here“.

Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Band June aus Waldenburg loslegte. Ihre energiegeladenen Klänge rissen das Publikum mit, darunter auch viele Pfarrer:innen und ihre Konfirmand:innen, die sich von den Songs tragen ließen.

Herkunftsorte der Teilnehmenden auf einer Weltkarte (Foto: Milena Sargsyan/Dorothea Färber)

Ein besonders ergreifender Moment war die Erzählung von Nemat, der aus Afghanistan geflohen ist. Seine Geschichte fesselte die Zuhörenden – voller Schmerz, aber auch voller Dankbarkeit für die Menschen, die ihm geholfen haben. Dabei wurde eines ganz deutlich: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Geschenk, das wir aktiv schützen und bewahren müssen.

Nach dieser tief berührenden Erzählung folgte ein Moment der Stille:

An verschiedenen Gebetsstationen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, für Afghanistan, für die Welt und für persönliche Anliegen zu beten – ein Augenblick der Besinnung und Hoffnung.

Angeregte Gespräche bei der Peacenight (Foto: Milena Sargsyan/Dorothea Färber)

Dann wurde es wieder musikalisch: Der Projektchor YOU/C unter der Leitung von Johanna Machado sorgte mit seinen einstudierten Songs für echte Gänsehautmomente. Danach wartete eine kulinarische Überraschung – leckeres afghanisches Essen, das in gemeinsamer Runde genossen wurde.

Den Abschluss bildeten weitere musikalische Beiträge, bevor es ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten gab, die diese PeaceNight zu einem unvergesslichen Abend voller Friedensmomente gemacht haben.

Autorin: Dorothea Färber