Alle übergeordneten Beiträge zur Nagelkreuzgemeinschaft unabhängig der Länder und Regionen

Zwei neue Nagelkreuzzentren: Augustana-Hochschule und Diakonie, Neuendettelsau

Am 25. Juni 2017 wurden gleich zwei neue Zentren in die weltweite Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen. Zunächst fand um 16.00 Uhr in der Kapelle der Augustana-Hochschule die feierliche Übergabe des Nagelkreuzes von Coventry statt. Anschließend bekam um 18:00 Uhr die Diakonie in einem ökumenischen Gottesdienst in St. Nikolai das Nagelkreuz überreicht.

Die Augustana-Hochschule befindet sich auf dem östlichen Teil der ehemaligen Luftmunitionsanstalt Neuendettelsau (Muna). Es ist anzunehmen, dass auch dort hergestellte Bomben beim Angriff auf Coventry eingesetzt wurden. Die Hochschule möchte sich durch die Mitgliedschaft in der Nagelkreuzgemeinschaft vertieft der Vergangenheit des Ortes stellen und in akademischer wie geistlicher Weise für Versöhnung und Frieden arbeiten.

Die Diakonie Neuendettelsau hat in den letzten Jahr intensiv um die Aufarbeitung ihrer eigenen Vergangenheit im Bezug auf die Deportation und Ermordung ihr anvertrauter Behinderten gerungen. Zudem weiß sich die Diakonie Neuendettelsau auf besondere Weise dem christlichen Menschenbild in dem Sinne verpflichtet, dass sie den „Wert“ des Lebens ins Zentrum ihres Handelns stellt: z.B. in den Ethik-Kommissionen ihrer Krankenhäuser oder in dem Master-Studiengang „Gesundheitswirtschaft und Ethik“ an der Wilhelm-Löhe-Hochschule.

Für die Übergabe des Kreuzes wurden Rev. Canon Dr. Sarah Hills aus Coventry und OKR Dr. Oliver Schuegraf von der Deutschen Nagelkreuzgemeinschaft an der Augustana erwartet.

Hier einige Fotos der Verleihungen (Klick zum Vergrößern):

Zwischenbericht vom Kirchentag 2017

Feierabendmahl – Foto: Steinke

Dankbar und bewegt schaut die Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland zurück auf den 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Nach innen ist die Gemeinschaft besonders gestärkt durch das Feierabendmahl in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, bei dem 820 Menschen gefeirt haben.

Markt der Möglichkeiten Foto: Däumer

Unsere Wunsch nach Feindesliebe konnte besonders auf dem Markt der Möglichkeiten an Interessierte vermittelt werden – tausende haben auf unseren Stand dort geschaut, hunderte guter Gespräche konnten geführt werden. Unter anderem war auch der Präses der Synode der Nordkirche, Dr. Andreas Tietze, am Stand im Gespräch mit Britta Däumer und Felicitas Weileder.

Stunde der Versöhnungssuchenden – Foto: Steinke

Und an mehreren Orten in Berlin, in Potsdam, Magdeburg und Erurt wurde die Coventry-Litanei der Versöhnung gebetet – hier in der ‚Stunde der Versöhnungssuchenden‘.
Nach fünf vollen, erlebnisreichen Tagen freut sich die deutsche Nagelkreuzgemeinschaft auf ihre Mitgliederversammlung Ende September in Wuppertal.

Vorzeitiger Maßnahmenbeginn für den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturmes genehmigt

Pressemitteilung

Potsdam, den 26. Mai 2017                                                      30/2017

Im April 2017 hat die Stiftung Garnisonkirche Potsdam den vorzeitigen Maßnahmenbeginn für den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturmes beantragt. Dieser ist nun durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bewilligt worden. Die Genehmigung für den vorzeitigen Maßnahmenbeginn bezieht sich auf die Vergabe der Leistungen Baustelleneinrichtung, Bauvorbereitung, Gründung und Bodenplatte.

Mit der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn entsteht kein Anspruch auf Zuwendung der mit einem Fördermittelantrag beantragten 12 Mio. Euro. Diese Entscheidung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien steht noch aus.

„Mit dieser Genehmigung kann mit dem Wiederaufbau des Garnisonkirchenturmes Potsdam, der einer der schönsten barocken Türme Norddeutschlands ist, begonnen werden. Dies verdanken wir der BKM, dem Fördermittelgeber, den zahlreichen Spendern aus Nah und Fern sowie den über 23.600 Unterstützern, die den Aufruf zum Wiederaufbau der Garnisonkirche unterschrieben haben und zusammen einen Teppich der Sympathie in ganz Deutschland und darüber hinaus bilden.“, freut sich der Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, Wieland Eschenburg, über die positive Nachricht.

Stiftung, Gemeinde und Fördergesellschaft laden herzlich ein, die Veranstaltungen und die Ausstellung in der Nagelkreuzkapelle zu besuchen. Das ist die beste Möglichkeit, Informationen zum Projekt aus erster Hand zu erhalten. Alle Informationen sind auch im Internet unter www.garnisonkirche-potsdam.de zu finden.

SWR 2 berichtet über das Nagelkreuzzentrum Pforzheim

Am 12. März 2017 um 12.05 Uhr sendet der SWR 2 einen Beitrag zum Thema Versöhnung, der auch über das Nagelkreuzzentrum Pforzheim berichtet. Unter anderem werden die Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof und die monatliche Versöhnungsandacht in der Stadtkirche Pforzheim thematisiert. Näheres zu der Sendung findet sich auf der Website des SWR 2.

 

Studientag der Nagelkreuzzentren – „Ideologie und Terror der SS“ in Wewelsburg

Eingeladen und organisiert durch das Nagelkreuzzentrum Nordhelle fanden sich am Samstag, den 4. März, Teilnehmer aus Wuppertal, Münster, Witten-Annen und unserem Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg zu einem Studientag an der Wewelsburg ein.

P1050912Britta Däumer und Stefan Schick nutzten ihre guten Kontakte zur Erinnerungs- und Gedenkstätte in der Nähe von Paderborn, um mit der überaus engagierten und kompetenten Museumspädagogin Annalena Müller einen spannenden Tag im Museum, beim Dorfrundgang und letztendlich am Mahnmal des ehemaligen Konzentrationslagers Wewelsburg gemeinsam erleben zu können.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, bei der durch einen gelungenen Einstieg erste persönliche Erfahrungen der Teilnehmenden zur Sprache kommen konnten, begab sich die Gruppe in die Ausstellung.

Anhand einzelner Ausstellungsobjekte wie Heinrich Himmlers Terminkalender oder einem Julleuchter nebst weiteren Symbolen und Ritualen zeigte uns die Pädagogin, wie die SS eine Parallelwelt aufzubauen versuchte, um so ihre Exklusivität  zu unterstreichen.

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Eine besondere Herausforderung in der Konzeption der Ausstellungsmacher ist, dass hier gezeigte Gegenstände oder Besonderheiten der Architektur keine mystische oder pathetische Wirkung mehr haben sollen, da zu den Besuchern zahlreiche Sympathisanten der rechten Szene gehören.

Beim Ausstellungsrundgang wurde dies besonders in der Präsentation der unterschiedlichen Alltagsgegenstände oder Uniformen deutlich. Die so gezeigt werden, dass es kaum möglich ist, sich mit / neben diesen in Szene zu setzen, obwohl in der Ausstellung das Fotografieren erlaubt ist. Lediglich im Nordturm,in dem die „Gruft“ und der „Obergruppenführersaal“ im Rundgang mit eingeschlossen sind, gibt es ein Fotografier-Verbot. Gerade hier ist es Rechtsradikalen und Esoterikern durch die Raumgestaltung aber ganz und gar verleidet, diese Orte als „Wallfahrtsort“ oder für mystische Gefühle („Schwarze Sonne“) geeignet zu sehen. Die Beleuchtung, ein farbiger Bilderzyklus zum Gedenken an die Opfer der SS-Gewalt und bunte Sitzsäcke, die keinerlei „Haltung“ zulassen, lassen erkennen, dass das Konzept der Ausstellungsmacher aufgeht.

Im weiteren Verlauf der Ausstellung werden die mörderischen Konsequenzen des Rassenwahns eindringlich sichtbar gemacht. Ein Modell des ehemaligen Konzentrationslagers Wewelsburg stimmte die Teilnehmenden dann vor der Mittagspause schon einmal auf den Nachmittag ein. Im integrierten Cafè-Restaurant „Zur Wewelsburg“ stärkten und erholten wir uns, um anschließend einen kurzen Dorfrundgang zu absolvieren.

Hierbei wurde an verschiedenen Stellen deutlich, dass auch Gebäude im Dorf Rückschlüsse auf die Geschichte zulassen. Da gibt es z.B. den „Ottens Hof“, ein früherer Bauernhof, der zu einer Gaststätte umgebaut wurde, die an der Außenfassade, als auch im Inneren zahlreiche eindeutige Gestaltungselemente (Hakenkreuze, verschiedene Zeichen der Germanischen Mythologie) sein eigen nennt. Im Dorf selbst ist der Weg zum Mahnmal auf dem ehemaligen Appellplatz des Konzentrationslagers wenig ausgeschildert, so dass man sich regelrecht auf eine Art „Spurensuche“ begeben muss, um dorthin zu gelangen.

P1050872Das Mahnmal besteht aus unterschiedlich hohen, gleichseitigen Dreiecken aus Kalkstein, die wiederum ein großes Dreieck ergeben. (Verschiedenfarbige Dreiecke an der Kleidung der ehemaligen Häftlinge, sogenannte „Winkel“ gaben den Haftgrund an) Das Mahnmal wird von einer dreisprachigen Inschrift (deutsch – russisch – englisch) eingerahmt und lautet: „Dieses Dreieck ist dem Kennzeichen der KZ-Häftlinge nachgebildet. Am Ort des Appellplatzes des Konzentrationslagers Niederhagen erinnert es an die Opfer der SS-Gewalt in Wewelsburg von 1935 bis 1945.“

 

Zum Abschluss unseres Studientages bildeten wir einen Kreis um das Mahnmal, erinnerten an die mind. 1285 Menschen, die hier durch Arbeits- und Haftbedingungen, durch Misshandlungen und Willkür starben. Aber auch an die Täter der damaligen Zeit und an die Menschen, denen wir uns heute in der Versöhnungsarbeit verbunden wissen. Die Versöhnungslitanei von Coventry, verbunden mit der Niederlegung von Rosen, bildeten den Abschluss eines überaus lehrreichen und emotionsreichen Tages.

Mit der Begleitung durch Frau Müller erlebten wir, dass die überaus positiven Pressemeldungen aus dem Eröffnungsjahr der Dauerausstellung (2010) anschaulich und lebendig wurden. Sie verstand es mit ihrer sehr einfühlsamen Art und Weise uns einen Zugang zu diesem Ort und seinem Teil der Geschichte mit Auswirkungen bis in unsere Gegenwart hinein zu nehmen. Ihr gehört unser ganz besonderer Dank.

Am Rande sei bemerkt, dass uns das Nagelkreuzzentrum Witten-Annen für unser Regionaltreffen im kommenden Jahr einladen wird – worauf wir uns sehr freuen!

Nagelkreuzzentrum Nordhelle im März 2017                                  Stefan Schick

 

Versöhnungsarbeit des Würzburger Nagelkreuzzentrums

Am 18.2.2017 haben in Würzburg gut 2.500 Leute unter dem Motto »Würzburg lebt Respekt – kein Platz für Rassismus«  ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass gesetzt. Die Aktion begann mit einem Friedensgebet der ökumenischen Nagelkreuz-Initiative in Würzburg. Nähere Informationen können Sie den Berichten der Mainpost und des Evangelischen Sonntagsblatts entnehmen.

Aus der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft gibt es viele Voten und Grußworte, die die Würzburger Versöhnungsarbeit unterstützten: bald finden Sie hier  24 berührende Statements aus der Nagelkreuzgemeinschaft.

Auch aus der Versöhnungsarbeit in Dresden kommt ein ausführlicher Gruß der Verbundenheit, den Sie hier einsehen können: Dresdner Gruß an Würzburg.

Einladung zur Coventry Pilgrimage im Mai 2017

Herzlichst laden wir interessierte Gemeinschaften, Gemeinden, Organisationen und Einzelpersonen zur Pilgrimage nach Coventry im Mai 2017 ein, um mit uns in einen Austausch zum Thema Versöhnung zu treten.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte die deutsche Freiwillige in Coventry, Rahel Tippelt:  rahel.tippelt@coventrycathedral.org.uk .

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Gedächtniskirche lädt zum Friedensgebet im Gedenken an die Opfer vom Breitscheidplatz

Pressemitteilung


Gedächtniskirche lädt zum Friedensgebet im Gedenken an die Opfer vom
Breitscheidplatz
Vier Wochen nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz erinnert die Kaiser-
Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Montag, 16. Januar um 20.00 Uhr mit einem ökumenischen
Friedensgebet an die Opfer des Attentats und ihre Angehörigen. Es findet in der
Gedenkhalle der Kirche am Nagelkreuz von Coventry statt, das weltweit als Symbol für
Frieden und Versöhnung steht.
Für die Evangelische Kirche gestalten Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein und die
Pfarrerin für Cityseelsorge Dorothea Strauß das Friedensgebet, gemeinsam mit einer
Vertreterin der Katholischen Kirche. Als Einladung zu Gebet und Gedenken läuten die
Glocken der Gedächtniskirche am Montagabend für zehn Minuten und tragen die Fürbitten
über die Stadt.
„Mit dem Friedensgebet wollen wir das vielfältige öffentliche Nachdenken der vergangenen
Tage aufnehmen“, erklärt Martin Germer, Pfarrer der Gedächtniskirche. „Gleichzeitig
möchten wir aber auch daran erinnern, dass Datum und Ort nicht für Aufmärsche
missbraucht werden dürfen, die das gesellschaftliche Miteinander mit ausgrenzenden
Parolen gefährden. Die Gedächtniskirche mitsamt dem Breitscheidplatz ist ein Ort des
Friedens.“ Für Montagabend hat das rechtspopulistische Bündnis BärGiDa einen Aufmarsch
vom Bahnhof Zoo Richtung Breitscheidplatz angekündigt.
Fast zeitgleich mit dem Friedensgebet in der Berliner Gedächtniskirche findet in
Brandenburg/Havel ein Gedenkgottesdienst statt, an dem Dr. Markus Dröge, Bischof der
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke und die Oberbürgermeisterin der Stadt, Dr. Dietlind
Tiemann, teilnehmen.
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde, Breitscheidplatz, 10789 Berlin
www.gedaechtniskirche-berlin.de
Berlin, 15. Januar 2017
Ansprechpartner
Pfarrer Martin Germer, mobil: 0170 – 43 44 386

Predigt von Dr. Sarah Hills zu 30 Jahre Nagelkreuz in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche

Am 7. Januar 1987 konnte in der Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche die Eingangshalle wieder der Öffentlichkeit übergeben werden. Mit einer eigens konzipierten Ausstellung hat sie seither Millionen von Besucherinnen und Besuchern die Bedeutung dieses Bauwerks als Mahnmal für Frieden und Versöhnung nahegebracht. Im Einweihungsgottesdienst wurde der Kirche ein Nagelkreuz aus der Kathedrale von Coventry übergeben. Seitdem ist die Kirchengemeinde ein Teil der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft.

Das 30. Jubiläum der Mitgliedschaft in der Nagelkreuzgemeinschaft wurde 8. Januar 2017 mit einem Festgottesdienst begangen. Canon Dr. Dr. Sarah Hills (Coventry) war als Predigerin zum diesem Anlass eingeladen. Hier finden Sie den Text ihrer Predigt:

Predigt von Dr. Sarah Hills, Canon for Reconciliation, Coventry,
in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 8. Januar 2017
Übersetzung aus dem Englischen: Rhodes Barrett und Dr. Kurt Anschütz

Die Taufe von Jesus Christus
Lesungen: Jesaja 42, 1-9 und Matthäus 3, 13-17

 “Wo Hoffnung und Geschichte sich reimen”

Ich möchte Euch für Euren so freundlichen Empfang heute Morgen danken. Es ist eine große Ehre, dass ich mit Euch zusammen den 30. Jahrestag Eurer Zugehörigkeit zur Nagelkreuz-Gemeinschaft und der besonderen Beziehung, die die Kathedrale von Coventry damals mit Euch eingegangen ist, begehen kann. Es war ergreifend, als wir während der vergangenen Wochen, nach dem schrecklichen Attentat unmittelbar vor dieser Kirche, die Versöhnungslitanei gebetet haben und unsere Gebete dabei besonders auf Euch hier in Berlin richteten. In unseren Herzen waren wir mit Euch allen verbunden.

Es gibt ein Gedicht eines nordirischen Dichters, Seamus Heaney, und einen Teil davon möchte ich Euch weitergeben als Antwort auf unsere heutige Bibellesung. Es heißt “Zweimal hinschauen” und stammt aus seinem Werk “Die Heilung zu Troja“:

Menschen leiden.
Sie foltern einander.
Sie werden verletzt, und sie werden hart.
Kein Gedicht, kein Stück, kein Lied
Kann jemals aufheben ein Unrecht
Zugefügt und erlitten. …
Die Geschichte sagt, Hoffe nicht
Diesseits des Grabes.
Aber dann, einmal im Leben
Die lang ersehnte Flutwelle
Der Gerechtigkeit kann sich erheben
Und Hoffnung und Geschichte reimen sich. …
Hoffe also auf die Große Veränderung
Jenseits aller Rache.
Glaube, dass ein fernes Gestade
Erreichbar ist von hier.
Glaube an Wunder
Und an Heilungen und an heilende Brunnen. …
Nenne Wunder die Selbstheilung
Die äußerste, sich selbst offenbarende
Verblüffung der Gefühle.
Wenn es Feuer gibt auf dem Berg
Und Blitz und Sturm
Und ein Gott spricht aus dem Himmel …
Dann heißt dies, jemand hört
Auf den Aufschrei und den Geburtsschrei
Des neuen Lebens, das entsteht.
Es heißt einmal in einem Leben
Dass die Gerechtigkeit sich erheben kann
Und Hoffnung und Geschichte sich reimen.”

“Dass die Gerechtigkeit sich erheben kann und Hoffnung und Geschichte sich reimen.” Unsere heutige Lesung, die im anglikanischen Lektionar mit der Überschrift „Taufe Christi“ versehen ist, spricht von Hoffnung und Geschichte. Und Hoffnung und Geschichte sind es, deren wir heute gedenken – an diesem Jahrestag der Übergabe des Nagelkreuzes an Euch. Es ist ein Symbol unserer gemeinsam übernommenen Verpflichtung, für Frieden und Versöhnung zu arbeiten und Gottes Geschichte und unsere Geschichte wahrzunehmen, und zugleich auch wahrzunehmen, wer und was wir gewesen sind. Wer wir sind in Gottes Reich, in Gottes Herzen.

In unserem Dienst der Versöhnung an der Kathedrale von Coventry haben wir es täglich mit Hoffnung und mit Geschichte zu tun. Einer unserer Grundwerte in der Nagelkreuzgemeinschaft ist “Heilung der Wunden der Geschichte”. Und St. Michael’s House, wo wir unser Versöhnungsprogramm leben, steht unter dem Motto “Raum schaffen, damit Hoffnung gedeihen kann”. Heilung der Wunden der Geschichte und Raum schaffen für Hoffnung. Geschichte und Hoffnung. Eure Gebäude hier, die Ruinen der alten Kirche und diese wunderschöne neue Kirche, bezeugen Geschichte und Hoffnung. Genauso, wie die Ruinen und die neue Kathedrale in Coventry es tun. Die Geschichte der Bombenangriffe – hier im Jahr 1943 und in Coventry im Jahr 1940 – und die Zerstörung der alten Kirchen und die Hoffnung eines neuen, verwandelten, versöhnten Lebens haben sich in diesen neuen Bauten ineins miteinander verkörpert. In den vielen Geschichten, die wir über Konflikte und Versöhnung, über Verletzung und Heilung hören, geht es um Geschichte und Hoffnung. Diese beiden Worte sind leicht zu sagen: „Geschichte“ und „Hoffnung“. Wie aber leben wir sie tatsächlich?

Wie engagieren wir uns tatsächlich in dieser Arbeit des Friedenschaffens und der Versöhnung? Wie machen wir das, was wir innerhalb der Kirche sagen, deckungsgleich mit dem, was wir tun, wenn wir am Ende des Gottesdienstes zur Tür hinausgehen? Der Beginn des neuen Jahres ist der rechte Zeitpunkt, um zu überdenken, wie wir leben. Wie können wir teilnehmen, wie nehmen wir teil an Gottes Reich?

Am Tag nach dem Bombenangriff auf die Kathedrale von Coventry ging Dompropst Howard in das Gewirr aus Metall und Emotionen hinein und sagte zwei Worte “Vater, vergib!” Dies was eine Anerkenntnis, dass wir alle der Vergebung Gottes bedürftig sind – Opfer und Täter gleichermaßen. Und so begann unsere Versöhnungs- und Friedensarbeit. Es ist heute genauso unabdingbar, dass wir auf die Dunkelheit mit Licht, auf Verzweiflung mit Hoffnung, auf Konflikt mit Versöhnung antworten. Heute begehen wir den 30. Jahrestag der Übernahme des Nagelkreuzes durch Euch – Zeichen Eurer Verpflichtung, für Versöhnung und Frieden arbeiten zu wollen.

Dompropst Howard gab Coventry und der Welt eine prophetische und radikale Botschaft. Er betete “Vater, vergib!” Im Jahr 2017 erinnern uns die jüngsten und erschütternden Ereignisse der Gewalt hier in Berlin und in Istanbul, in Aleppo und anderswo erneut an das Böse, zu dem die Menschheit fähig ist.

Ich war neulich sehr beeindruckt von einer mir bisher unbekannten Erasmus-Übersetzung des Prologs des Johannesevangeliums. Statt zu übersetzen “Im Anfang war das Wort”, übersetzt Erasmus: “Im Anfang war das GESPRÄCH”.

Im Anfang war das Gespräch. Genau. Denn wie können wir leben in der Isolation? Wie können wir leben ohne Dialog? Wie können wir die Botschaft der Versöhnung leben, wenn wir nicht aufeinander hören? Nicht hören auf Gott?

Im Tiefsten geht es bei Versöhnung um Gespräch, darum, ob und wie wir miteinander reden, wie wir miteinander verkehren. Es geht darum, wie wir, ob wir das Gespräch führen. In der Welt, in der Kirche stehen wir vor vielen Herausforderungen – gewalttätige Konflikte ohne Zahl. Globalisierung bedeutet, wir sind stärker miteinander verbunden, aber dennoch haben wir Probleme, wirklich miteinander zu reden und einander zu verstehen. Wir haben unendliche Mittel der Kommunikation durch soziale Medien, Twitter, Blogging und so weiter … aber dennoch benötigen wir Hilfe, damit wir wirklich die Geschichten der anderen zu hören vermögen.

Mein Interesse an diesem Gespräch, an diesem Versuch, besser miteinander zu leben in Vergebung und Versöhnung, begann mit meinem Aufwachsen in Südafrika und später in Nordirland. Ich bin in Südafrika geboren, und meine Eltern waren beide in Anti-Apartheid-Aktivitäten engagiert. Wir zogen fort, als ich noch ein kleines Kind war. In Nordirland, wohin wir dann zogen, wuchs ich in ziemlicher Verunsicherung auf. Unsicher war ich, ob meine Haare deshalb so kraus waren, weil ich Afrikanerin war; verunsichert war ich, als wir zurückkehrten, um meine Großeltern zu besuchen, weil nur Weiße an den Strand gehen durften oder auf öffentlichen Bänken sitzen durften; verunsichert war ich auch, weil meine ehemalige Kinderfrau in einem Haus ohne fließendes Wasser lebte.

Und dann arbeitete ich als Medizinstudentin in einem ländlichen Krankenhaus in Südafrika. Dort beteiligte ich mich an Protestmärschen zusammen mit Tausenden anderer Südafrikaner, die gegen die Apartheid demonstrierten, – und ich entfernte Gewehrkugeln aus Menschen, auf die man geschossen hatte, während sie demonstrierten und Befreiungslieder mit den anderen sangen – “Viva Mandela!”, “Amandla!” Mandela war damals, gegen Ende seiner 27 Jahre im Gefängnis, die Inspiration; er war der Name, der auf allen Lippen war.
In den folgenden Jahren lebte Mandelas Engagement für Versöhnung in mir in starkem Kontrast zu Gerüchten über das rachelüsterne Teeren und Federn eines Teenager-Liebespaares, das in der Nähe des Wohnortes meiner Familie in Nordirland lebte. Sie lebte in unserem Dorf, das protestantisch war, er kam von einem Bauernhof aus einem “IRA-Gebiet”.

Fragen konnten nicht ausbleiben. Nachdem ich mein Medizinstudium abgeschlossen hatte, arbeitete ich als Psychiaterin. Die Fragen zum Wesen von Versöhnung, von Vergeltung und von Gerechtigkeit wurden durch dieser Arbeit stimuliert.

Was immer unsere eigene Geschichte sein mag, wo immer wir arbeiten und leben mögen, sind wir als Christen berufen, an Gottes Welt teilzuhaben. In ihr ist Christus mit uns, und er wird einer von uns. Wir können uns nicht einfach zurücklehnen und bequem warten – wir müssen den Schritt tun hin zum zugigen Stall, zu den furchterregenden Engeln, zu den Fremden aus dem Osten, zu Gottes herrlichem Geschenk. Denn die Welt ist heute kein bequemer Ort. Für viele ist sie kalt und zugig, das Jesuskindlein ist nicht das einzige Kind ohne richtiges Bett; die drei Könige sind nicht die einzigen, die in ferne Länder reisen müssen, und Herodes ist immer noch eine gängige Figur.

Heute müssen wir intensiv nachdenken über unser Leben mit Gott und miteinander, dies ist eine von Gott geschenkte Zeit, um zu überprüfen, wie wir unsere Geschichte wahrnehmen und wie wir aus ihr heraus handeln. Was bedeuten wir Christen für die heutige Welt? Wie entwickeln wir uns hin zu jenem Knecht, von dem uns Jesaja spricht – zu dem Knecht, an dem Gott sein Gefallen hat? Der Gerechtigkeit den Völkern bringen wird und der nicht zerbrochen und nicht zerschunden wird? Und wie werden wir bereit für die lebensverändernde und vielleicht auch sehr schwierige Entscheidung, zu der Johannes der Täufer uns drängt in der Taufe?

Denn wie wir wissen: Die Wirklichkeit um uns herum ist nicht verlockend. Die Realität der Geschichte des 20. und nun des 21. Jahrhunderts scheint auf den ersten Blick nicht hoffnungsvoll zu sein. Zahlreich sind die Konflikte, und neue politische Zeitalter werden eingeleitet hier in Europa und in Amerika, im Mittleren Osten und im globalen Süden – Seamus Heaney schreibt in seinem Gedicht sogar:
„Die Geschichte sagt, Hoffe nicht
Diesseits des Grabes.“

Eine ziemlich düstere Botschaft, wenn wir hier anhalten. Also: Wie leben wir mit Geschichte und Hoffnung in diesen oft dunklen Zeiten? Können Hoffnung und Geschichte sich reimen? Jetzt ist die Zeit da, zu entscheiden. Geben wir uns zufrieden mit den Antworten der Welt, oder glauben wir, dass der Gott, der stets mit uns ist, der seinen Bund mit uns schließt, der den Völkern Licht gibt – glauben wir, dass dieser Gott alles ändert? Das Gedicht geht weiter: “Glaube, dass ein fernes Gestade erreichbar ist von hier! Glaube an Wunder und an Heilungen und an heilende Brunnen!” Was also glauben wir heute über Geschichte und Hoffnung, am Anfang des neuen Jahres, wo wir versuchen, eine Antwort zu finden auf die Gewalt und die Konflikte, mit denen wir konfrontiert werden?

In der Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry verpflichten wir uns, für Versöhnung, für Frieden und Gerechtigkeit zu arbeiten. Der Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der uns Atem gibt und Geist, lädt uns ein auf einen neuen Weg, der mühsam und der freudvoll ist. Jesus starb am Kreuz, und doch wurde er auferweckt. Wenn wir bereuen und reingewaschen werden im Wasser der Taufe und des Heiligen Geistes und wenn wir diesem kleinen Kind folgen, welches Christus, unser Retter ist, wird unser Leben reich gefüllt sein mit seiner Gerechtigkeit, mit seinem Erbarmen und mit seiner Liebe. Hoffnung und Geschichte können sich reimen. Das Echo dieses Reimens, also unsere Hingabe an Christus, als er getauft wurde, ist in der Tat eine sehr gute Botschaft! Eine gute Botschaft, die wahrlich Hoffnungslosigkeit und Dunkel vertreibt. Wenn wir nicht gelähmt werden wollen durch Furcht, durch Verzweiflung in Konfliktsituationen, durch gescheiterte Beziehungen, durch Sorgen um Geld oder Verlust von Unabhängigkeit, oder durch irgend eine andere Widrigkeit, in der wir uns befinden, dann müssen wir erneut auf Jesajas Worte hören und uns erfüllen lassen mit der Herrlichkeit desjenigen, der Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und Licht ist.

So wollen wir beten, dass die Gerechtigkeit sich erheben kann. Lasst uns glauben an die Hoffnung, dass Gefangene aus dem Verlies herausgebracht werden, dass die Völker Erleichterung erfahren, dass Gott uns bei der Hand nimmt und bewahrt. Lasst uns auch andere einladen zur Teilnahme an dieser Hoffnung. Und lasst uns die neuen Möglichkeiten finden und aufnehmen und praktizieren, Gottes Volk zu sein an diesem Ort, in dieser Zeit, in dieser bedeutenden Kirche mit ihrer ganzen Geschichte und ihrer Hoffnung.

Ich möchte schließen mit einer Geschichte über Steve Biko und seine Mutter Alice. Steve Biko war ein sehr bekannter Anti-Apartheid-Führer, der 1977 in südafrikanischem Polizeigewahrsam brutal ermordet wurde. Steve und seine Mutter sprachen kurz vor seinem Tod miteinander, und sie sagte ihm, wie sehr sie um ihn besorgt war – sie konnte nachts solange nicht schlafen, bis er zu Hause war aus Angst, dass er verhaftet und ins Gefängnis gesteckt würde. Er antwortete, indem er sie daran erinnerte, dass Jesus gekommen war, um sein Volk zu erlösen und zu befreien.

“Bist Du Jesus?” hat sie ungeduldig gefragt. Steve hat ihr liebevoll geantwortet: “Nein, ich bin es nicht. Aber ich habe dieselbe Arbeit zu tun.”
Wir auch.

Amen.