Zwischen Friedensstiftern und Oldtimern – Interview mit Ingo Mörl über seine Pilgerfahrt nach Coventry

Ingo01: Ingo Mörl. Foto: Ev. Dekanat Darmstadt

Im Mai 2025 nahm Ingo Mörl aus Mühltal bei Darmstadt an der Frühjahrs-Pilgerfahrt zur Kathedrale von Coventry teil – gemeinsam mit einer Gruppe aus der Region Südwest und weiteren Teilnehmenden aus drei Kontinenten (darüber berichten wir [Link->hier]). Die Tage in Coventry haben ihn tief bewegt. Nach der Rückkehr entschloss er sich, Einzelmitglied unserer Gemeinschaft zu werden. Im Interview berichtet er, was ihn an der Pilgrimage besonders berührt hat, wie sein persönlicher Weg der Versöhnung aussieht, und warum Coventry für ihn mehr ist als ein geschichtsträchtiger Ort.

Hallo Ingo, möchtest Du Dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Ingo Mörl, und ich bin 66 Jahre alt. Ich wohne in Mühltal in der Nähe von Darmstadt. Bis zum November 2024 war ich seit 1984 beim Evangelischen Dekanat Darmstadt (Land) beschäftigt – zunächst in der Kinder- und Jugendarbeit, später in der Erwachsenen- und Familienbildung (Dipl. Rel. Päd.; Magister Artium). Ich bin verheiratet, habe zwei Töchter und drei Enkel. Meine Frau ist noch berufstätig und arbeitet als Gemeindepädagogin in Eberstadt.

Wie bzw. wann hast Du erstmals bewusst vom Nagelkreuz gehört?

Die Nagelkreuzarbeit kenne ich schon viele Jahre, weil ich immer regelmäßig zum Brandnachtgottesdienst am 11. September in die Stadtkirche Darmstadt gehe – ein jährlicher Gottesdienst zur Erinnerung an den verheerenden Bombenangriff im Jahr 1944. In den 80er Jahren war ich in der Friedensbewegung aktiv; damals ging es um die sogenannte NATO-Nachrüstung und die russische Bedrohung durch die SS-20-Raketen.

Warum hast Du an der Pilgrimage teilgenommen?

Ich habe viele Jahre lang deutsch-französische und deutsch-polnische Jugendbegegnungen organisiert. Von 1986 bis zum Fall der Mauer gehörten auch Begegnungen zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen dazu. Später, in der Erwachsenenbildung, standen Studienfahrten zu protestantischen Minderheiten in Europa auf dem Programm. Aufgewachsen in direkter Nachbarschaft von Wiesbaden-Erbenheim, dem heutigen Headquarter der USA für Europa und Afrika, ist mir auch der Kontakt zu Amerikanern nicht fremd.

Hattest Du bestimmte Erwartungen? Und wenn ja, wurden sie erfüllt?

Neuen Erfahrungen begegne ich immer mit niedrigen Erwartungen – aber ich bin neugierig und höre meinem Gegenüber gespannt zu. Ich bin tief beeindruckt von der Arbeit in Coventry. Sie ist keineswegs nur rückwärtsgewandte Erinnerungsarbeit, sondern sucht auch nach neuen Ansätzen der Versöhnungsarbeit in Konflikten unter Jugendlichen und Erwachsenen. Ich bin gespannt auf die Mitgliederversammlung in Münster.

Was hat Dir besonders gut gefallen bzw. Dich beeindruckt? Oder im Gegenteil?

Da könnte ich vieles nennen: das Oldtimer-Treffen in der Kathedrale oder das Transportmuseum – so etwas hatte ich gar nicht erwartet, und deswegen war ich ja auch nicht hingefahren. Besonders beeindruckt war ich von dem Vortrag von Dean John und seiner Feststellung: Wir sind keine Pazifisten, sondern Friedensstifter. Darüber würde ich gerne weiter nachdenken.

Hast Du etwas zur Gruppe bzw. den anderen Teilnehmenden aus insgesamt drei Erdteilen zu bemerken?

Beeindruckt war ich auch von der Versöhnungsarbeit in Australien mit den Aborigines und der Arbeit in Irland. Von mehrfachen Besuchen kenne ich die Arbeit von Iona in Schottland und Corrymeela in Irland. Dass Menschen eine so weite Reise auf sich nehmen, zeigt einmal mehr die auratische Ausstrahlung der Ruinen der Kathedrale in Coventry. Ich fühlte mich oftmals an den Disibodenberg (Hildegard von Bingen) erinnert.

Geht es weiter mit Dir und dem Nagelkreuz?

Ich habe meinen Antrag auf Mitgliedschaft abgesendet. Ich danke Christian Roß sehr für die Organisation der Fahrt nach Coventry und dafür, dass er nach dem Weggang von Pfarrer Knodt an der Stadtkirche in Darmstadt den Fortgang dieser wichtigen Arbeit gesichert hat. Ich fühle mich gut angekommen. Versöhnungsarbeit spielte in meiner Herkunftsfamilie eine große Rolle. Hier trafen Wehrmacht und Widerstand, Protestanten und Katholiken, Sozialdemokraten und Konservative, Hessen, Sudetendeutsche und Westpreußen aufeinander. Deswegen halte ich auch Kreisau in Polen und die Ideen des Kreisauer Kreises für einen sehr wichtigen Ort des Nachdenkens.

Die Fragen stellten die Mitreisenden Doris Hartwich und Gernot Härdt, Nagelkreuzzentrum Pforzheim/Stadtkirche, und Christian Roß, Nagelkreuzzentrum Stadtkirche Darmstadt.