Ist friedliche Transformation von Gesellschaften denkbar?
Bewaffnete Konflikte hinterlassen tiefe Wunden in einer Gesellschaft. Um langfristig Frieden zu sichern und künftige Konflikte zu verhindern, ist neben der Wiederherstellung von Sicherheit und dem Wiederaufbau die Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppen erforderlich.
Das Bild zeigt ein Mädchen, das im UN-Hauptquartier in New York mit einer Blume den Opfern des Völkermords in Ruanda im Jahr 1994 gedenkt. Foto: UN Photo/Paulo Filgueiras
Die Erinnerung an die Opfer ist ein wichtiger Bestandteil der Vergangenheitsbewältigung. Wie hier im UN-Hauptquartier in New York wird den Opfern des Völkermords in Ruanda (1994) jedes Jahr am 7. April gedacht.
Bewaffnete Konflikte hinterlassen tiefe Wunden in einer Gesellschaft. Um langfristig Frieden zu sichern und künftige Konflikte zu verhindern, ist im Zuge der Friedenskonsolidierung neben der Wiederherstellung von Sicherheit und dem Wiederaufbau die Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppen erforderlich. Die Aufarbeitung und Bewältigung der Vergangenheit sowie die Schaffung von Gerechtigkeit sollen den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben legen. Wahrheitsfindung, Strafverfolgung und die Wiederherstellung der Würde der Opfer sind wichtige Schritte für die Beendigung von Feindschaften und Polarisierungen in Nachkriegsgesellschaften.
Die Vereinten Nationen fassen unter »Übergangsgerechtigkeit« (transitional justice) oder »Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit« alle Mechanismen, durch die eine Gesellschaft Vergangenheitsbewältigung unternimmt, mit dem Ziel, Täterinnen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen, Gerechtigkeit wiederherzustellen und Versöhnung zu erreichen. Dazu gehören Initiativen zu Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, institutionelle Reformen besonders im Justiz- und Sicherheitssektor, Entschädigungen für Opfer, Amtsenthebungen belasteter Personen (Lustration) sowie die Dokumentation von Verbrechen, Erinnerungs- und Bildungsarbeit.
Diese Maßnahmen sollen Straflosigkeit verhindern, Verbrechen aufklären und die Vergangenheit aufarbeiten, eine öffentliche Wahrnehmung der Opfer schaffen, Gewaltbereitschaft eindämmen, Menschenrechte stärken und das Vertrauen in Institutionen fördern. In der Praxis werden meist verschiedene Maßnahmen kombiniert: Unparteiische Wahrheitskommissionen können beispielsweise die strafrechtliche Verfolgung ergänzen. Zusätzlich sollten die Opfer materielle oder symbolische Entschädigungen erhalten.
Internationale Unterstützung von Versöhnungsprozessen
Der Weg zu einer friedlichen Transformation von Gesellschaften ist komplex und langwierig. Versöhnungsprozesse können Jahrzehnte andauern. Sie finden auf nationaler Ebene statt und lassen sich nicht von Außen erzwingen, eine internationale Unterstützung ist daher nur begrenzt möglich. Nur wenn die Opfer bereit sind, zu vergeben, wenn Täterinnen und Täter bereit sind, Verantwortung für begangene Taten zu übernehmen, lassen sich Feindschaften beenden. Aufgabe staatlicher Institutionen ist es, für die Anerkennung der Opfer und die Unterbindung künftiger Verbrechen Sorge zu tragen.
Internationale Nichtregierungsorganisationen und Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit sind in der Versöhnungsarbeit aktiv. Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) beispielsweise unternimmt Rechts- und Verwaltungsberatung in betreffenden Ländern (z. B. bei der Entschädigungsgesetzgebung) und unterstützt Wahrheitskommissionen, strafrechtliche Aufarbeitung (z. B. durch Prozessbeobachtung und die Ausbildung von Richtern) sowie lokale zivilgesellschaftliche Initiativen.
Beispiele der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit
Ein prominentes Beispiel stellten die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Neuere Beispiele der Strafverfolgung sind die Internationalen Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda. Wahrheitsund Versöhnungskommissionen, wie sie u. a. in Südafrika, Guatemala, Uganda, Sri Lanka, Sierra Leone und Timor-Leste eingesetzt wurden, sammeln die Stimmen von Opfern und Zeugen, führen thematische Untersuchungen sowie Analysen von Rechtsverletzungen gegenüber Frauen und Kindern durch, halten öffentliche Anhörungen und veröffentlichen einen Abschlussbericht. Auch in Deutschland gab es mit der der Enquête-Kommission zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur (1992-94) eine Wahrheitskommission. Reparationsleistungen an Holocaust-Überlebende oder die Zentrale des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR sind weitere Beispiele der Vergangenheitsarbeit in Deutschland.
Der im März 2010 von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon veröffentlichte Leitfaden legt Leitlinien, Bestandteile und Wege zur Stärkung der UN-Aktivitäten in der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit dar. Er hebt hervor, dass Programme der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit stets einzigartig sind und sich stark am jeweiligen länderspezifischen Kontext orientieren müssen. Eine Identifizierung der Konfliktursachen, der begangenen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen sowie der verwundbaren Gruppen ist essentiell. Darüber hinaus muss der Justiz- und Sicherheitssektor eines Landes berücksichtigt werden.
Die Umsetzung der Programme soll durch nationale und lokale Akteure erfolgen. Internationale Unterstützung muss sich auf die Entwicklung nationaler Kapazitäten richten, um die Länder in die Lage zu versetzen, Versöhnungsprozesse zu gestalten.
UN-Friedenssicherung und Versöhnungsarbeit
Im System der Vereinten Nationen kommt dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) eine führende Rolle in der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit zu. OHCHR-Länderbüros begleiten z. B. die Errichtung und Ausgestaltung von Wahrheitskommissionen und Initiativen zur Strafverfolgung mit Expertise und Beratung.
UN-Friedensoperationen nehmen heute vermehrt Aufgaben im Bereich der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit wahr (in der Regel in Zusammenarbeit mit einer OHCHRRepräsentanz). Die meisten Friedenseinsätze verfügen über eine gewichtige Rechts-Komponente. Der Fokus liegt auf der Unterstützung beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Reformen im Justiz- und Sicherheitssektor. Rechts- und Menschenrechts-Komponenten der UN-Friedenseinsätze sowie politische UN-Missionen unterstützen darüber hinaus Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, Straftribunale oder Entschädigungsprogramme, u. a. in Libyen, Sierra Leone und Burundi.
Eine wichtige Rolle kommt der Strafverfolgung zu. In den 1990er Jahren setzte der UN-Sicherheitsrat die Strafgerichte für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Weitere Tribunale wurden in Kooperation mit den UN geschaffen, u. a. in Sierra Leone und Kambodscha, sowie der bedeutende Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Der Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat im Lauf seines 20-jährigen Bestehens 161 Personen angeklagt. Heute sind noch vier Prozesse abzuschließen. Auch in Ruanda dauert der schwierige Versöhnungsprozess nach dem Völkermord 1994 an. Mehr als 120.000 Personen wurden angeklagt und vor verschiedene Gerichte gestellt. Zusätzlich wurde eine Kommission für nationale Einheit und Versöhnung eingerichtet.
Strafgerichte sind bedeutend, Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit ist jedoch auf mehrere Instrumente angewiesen. Sie ist langwierig und soll sie erfolgreich sein, ist die Bereitschaft in Gesellschaft, die Suche nach Wahrheit zuzulassen, Voraussetzung. Die internationale Gemeinschaft kann ihre Unterstützung anbieten und Versöhnungsprozesse begleiten.
Tina Schmidt für die DGVN,
Berlin
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. (DGVN) in Berlin. Sie setzt sich gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und der Politik für die Vereinten Nationen und die Vision von einer friedlichen und gerechten Welt ein. Mehr Informationen unter www.dgvn.de.
In memoriam Annegret Seyfang
/in Nagelkreuzgemeinschaft, Personalia, Rückblicke /von RedaktionAnnegret Seyfang ist am 23. Oktober 1932 in Hamburg geboren und hatte als Kind den II. Weltkrieg miterlebt. Der Vater, Karl Eduard Wilhelm Seyfang, war arbeitslos geworden, nachdem er sich weigerte, der NSDAP beizutreten, und daher zog die Familie für etwa anderthalb Jahrzehnte nach Hannover, wo Vater Seyfang zur Überbrückung wenigstens als LKW-Fahrer tätig sein konnte.
Nach dem Krieg arbeitete er als Versicherungskaufmann bei der Volksfürsorge. Mutter Erika Hedwig Seyfang war Hauswirtschaftsleiterin in verschiedenen Kinderheimen.
Annegret war eine ruhige besonnene Person – für ihre sieben Jahre jüngere Schwester Ingeborg war sie ein bisschen Mutterersatz.
Annegret studierte Anglistik in Hamburg, aber auch in Bristol und in Göttingen (oder Tübingen, das ist nicht ganz sicher) und wurde Lehrerin Sie lebte während des Studiums wieder einige Zeit in Hamburg und war, nach einem Referendariat in Wandsbek als Oberstudienrätin am Lohmühlengymnasium (Aufbaugymnasium Lohmühlenpark) in Hamburg St. Georg (heute in der Stadtteilschule Hamburg Mitte aufgegangen) tätig. Spätestens 1962 ist sie aus persönlichen Gründen nach Lübeck gezogen. Sie ist täglich zum Lohmühlengymnasium nach Hamburg gependelt.
Auf einer Taizé-Fahrt 1982 hatte sie den Pfarrer der St. Marienkirche Lübeck, Pfarrer Volker Schulz, kennengelernt und sich dann in dieser Gemeinde „zu Hause gefühlt“ und stark engagiert.
St. Marien war 1971 bereits in die Versöhnungsarbeit der Nagelkreuzgemeinschaft gekommen, und diese Versöhnungsarbeit ist Annegret Seyfang sehr wichtig geworden. Aus gesundheitlichen Gründen ist sie mit 55 Jahren in den vorgezogenen Ruhestand getreten und hat als Lebensmittelpunkt Lübeck behalten.
Gerne ist sie gereist, sie war an Fragen der Theologie genau so interessiert wie an Fragen der Geschichte und der vielen Geschichten der Mitmenschen.1990 war sie in Dresden bei dem Treffen der Nagelkreuzzentren aus Ost undWest dabei, die dort beschlossen, künftig einen Verein „Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V.“ zu gründen. Bei allen zweijährig stattfindenden Mitgliederversammlungen war sie dabei, zuletzt 2015 in Hofgeismar. Über zwanzig Jahre, bis 2013, hat sie einen wichtigen Dienst in der Gemeinschaft verantwortlich übernommen: das Führen der Adressen derer, die in Deutschland und in Mittel- und Osteuropa den Freundesbrief zweimal im Jahr zugeschickt bekommen; und jedes Mal dann den Versand an die zuletzt über dreihundert Adressen vorzunehmen! Danke für diese stille Arbeit für die Vernetzung an so vielen Orten! Zugleich war sie tatkräftig engagiert, wenn es darum ging, wie junge Menschenin die Versöhnungs-Geschichte von Coventry eingeführt werden und vertraut werden mit dem „Vater vergib“ der Litanei von Coventry.
Wir erinnern gerne an unsere Schwester im Herrn, die nun am 14. März 2019 im Krankenhaus starb; unsere Gedanken und Gebete gehen an ihre Familie und an ihre Gemeinde, die sie vermissen.
Verfasser des Textes: Jost Hasselhorn
Ringen um Versöhnung und Frieden in unserer Welt
/in Aktivitäten & Berichte, Mitgliederversammlung, Nagelkreuzgemeinschaft, Rückblicke /von RedaktionRegional-Treffen der Nagelkreuzgemeinschaft in Bayern am 06.04.2019 in Leipheim und Günzburg
„Erhalt uns Gott bei deinem Wort und steu’re deiner Feinde Mord…“ Der Spruch aus dem Reformationszimmer im Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente in Leipheim ließ uns Teilnehmer des Regionaltreffens der Nagelkreuzgemeinschaft doch alle aufhorchen. Ist das christlich und wo bleibt da die Toleranz oder geschweige denn die Versöhnung, die unsere Gemeinschaft doch als das wichtigste Ziel sieht? Natürlich ist dieser Ausspruch ein Fragment aus längst vergangener Zeit, aber auch ein Grund genug, sich mit dem heutigen Verständnis von Versöhnung und Toleranz auseinanderzusetzen. Um diese Themen ging es dann auch im gegenseitigen Austausch der aus Bayern und Gästen aus Österreich und Pakistan stammenden Teilnehmer. Bereits die beiden Bürgermeister aus Leipheim und Günzburg gingen in ihren jeweiligen Grußbotschaften auf die Wichtigkeit eines solchen Treffens ein: „Nicht Bitterkeit, Hass oder der Wunsch nach Vergeltung sollten die Zukunft prägen, sondern die Hoffnung auf Versöhnung, Vergebung und Frieden.“
Wir erspürten im geschichtsträchtigen Museum zunächst die Not, die aufständische Bauern 1525 in den Krieg trieb, wir registrierten beeindruckt deren Forderung nach Mitbestimmungs- und Freiheitsrechten und waren bestürzt über das blutige Ende der Bauernkämpfe. Pfarrer Oßwald, der Gastgeber unserer Veranstaltung im ev. -luth. Gemeindehaus, nahm nachmittags in seiner Begrüßung den Faden wieder auf und berichtete vom Kampfgeschwader 55, dass 1938/39 auf dem Fliegerhorst Leipheim stationiert war und im Jahre 1940 an der Bombardierung von Coventry (Mittelengland) beteiligt war. Versöhnung tut Not und geschieht, wobei er als aktuelles Beispiel erwähnt, dass sie zumindest in Form gelebter Ökumene sichtbar wird, da während der Renovierung seiner Kirche die Gemeinde in der katholischen Nachbarkirche einen Ort für ihre Gottesdienste finden kann – „ein einfacher Anruf beim Kollegen reichte aus“!.
In mehreren Workshops setzen sich dann alle TeilnehmerInnen noch konkreter mit dem Anspruch und der Verwirklichung von Versöhnungsarbeit auseinander. Ist Versöhnung „cool“, wie kann sie im Miteinander mit anderen Religionen und Kulturen gelingen – oder sollten wir auch einmal „laut sein“, wenn es zum Beispiel um den Klimawandel geht? Im Blickfeld steht dabei auch der Wunsch, insbesondere die Jugend für dieses wichtige Thema zu gewinnen. Nach all den engagierten Diskussionen blieb die Feststellung im Raum, dass Toleranz eine lebenslange Aufgabe darstellt, die Versöhnung bewirken kann. Toleranz um jeden Preis wäre aber falsch verstanden, da sie da endet, wenn Menschenrechte bedroht sind. Es geht um eine ehrliche Auseinandersetzung unter Achtung des Nächsten in seiner Würde.
Dazu hat die Nagelkreuzgemeinschaft etwas zu sagen und deshalb soll zukünftig noch bewusster dieser Auftrag durch Jahresthemen erarbeitet werden, damit die drei prägnanten Aussagen der Nagelkreuzgemeinschaft – die Wunden der Geschichte heilen, mit Verschiedenheit leben lernen und am Frieden arbeiten – Wirklichkeit werden können.
Den Ausklang des Tages bildete gemeinsames Beten und Singen in der ehemaligen Hofkirche im nahen Günzburg. Dort ist ein Nagelkreuzzentrum, das vom „Verein der Freunde der Hofkirche“ betreut wird. „Im Gebet schließen wir uns mit allen, die sich für Frieden und Versöhnung weltweit einsetzen, zusammen und fühlen uns verbunden“, so begann die Einleitung in der Hofkirche. Im Zentrum steht dabei die Versöhnungslitanei von Coventry, die auch regelmäßig jeden Freitag in der Hofkirche und in den 70 Nagelkreuzzentren in Deutschland gebetet wird.
Walter Elsner
Hintergrundinformation:
Die Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V. ist Teil der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft. Am 14. November 1940 wurde die englische Stadt Coventry mit ihrer mittelalterlichen Kathedrale von deutschen Bomben zerstört. Statt nach Vergeltung zu rufen, hatte der damalige Propst, Richard Howard der Kathedrale eine andere Vision: dem Feind sollte die Hand zur Versöhnung gereicht werden. Symbol dieses Versöhnungsdienstes wurde das Nagelkreuz, zusammengefügt aus drei Zimmermannsnägeln aus den Dachbalken der zerstörten Kirche. Das Nagelkreuz von Coventry steht heute als Zeichen der Versöhnung und des Friedens an vielen Orten der Welt. Die Nagelkreuzgemeinschaft ist ein weltweites Netzwerk von christlichen Kirchen und Organisationen, die auf der Grundlage des Glaubens an den dreieinigen Gott und inspiriert durch die Geschichte der Kathedrale von Coventry und ihres Nagelkreuzes eine fortdauernde Verbindung mit der Kathedrale pflegen und die sich verpflichtet wissen, für Frieden und Versöhnung zu beten und zu arbeiten. Im Mittelpunkt des Gebetes steht die Versöhnungslitanei von Coventry, die in sieben Anrufungen Gottes sein Erbarmen zu den menschlichen Unzulänglichkeiten wie etwa den Hass, der die Menschen trennt oder die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, durch das „Vater vergib“ erbittet. Dies war auch genau die Bitte, die der Propst der Kathedrale von Coventry an die Apsis-Wand seiner zerstörten Kathedrale schreiben ließ: father forgive – Vater vergib!
Mit dem Verschweigen von Schuld aufhören – Regional-Treffen »Mitte« am 30. März 2019 in Eisenach
/in Eisenach, Nagelkreuzgemeinschaft, Regionaltreffen /von RedaktionAm 30. März 2019 hatte die Diakonissenhaus Stiftung Eisenach zum 7· Regionaltreffen ,Mitte‘ der Nagelkreuzgemeinschaft eingeladen. In Eisenach wird das Versöhnungsgebet regelmäßig wöchentlich gebetet, und der Weg in die Nagelkreuzgemeinschaft hinein wird seit einigen Jahren mit Bedacht gegangen. Die 18 Teilnehmenden, die sich in der Versöhnungsarbeit engagieren, kamen aus Dessau, Dresden, Eisenach, Erfurt, Halle, Jena, Leipzig, Mühlhausen, Plauen und Weimar. Der Schwerpunkt war das ,Entjudungsinstitut in Eisenach ‚ – ein besonderer regionaler Fokus auf Verschweigen und Aufarbeitung einer schmerzvollen Geschichte.
Eröffnet wurde das Treffen mit einer Andacht von Propst Dr.ChristianStawenow, in der er auch darauf hinwies, wie unser christlicher Umgang mit den jüdischen Texten der Bibel zur Vereinnahmung und Ausgrenzung der Juden geführt hat -ein Erbe, das uns bewusst werden muss.
Die anschließende Kennenlern-Runde war ein gelungener Austausch zwischen langjährigen und neu dazu gekommenen Teilnehmern: Erfahrungen wurden erzählt, Fragen gestellt, Tipps zur praktischen Umsetzung weitergegeben und besprochen, was eigentlich Versöhnung bedeutet, wie sie im Alltag gelebt und sichtbar gemacht werden kann. Gut war. dass auch Jost Hasselhorn nach Eisenach gekommen war, um die Erfahrungen des deutschen Leitungskreises zur Verfügung zu stellen und über die Situation in Coventry berichten zu können.
Den Nachmittag prägte dann der Vortrag zu dem 1939 in Eisenach gegründeten »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben«, eine Geschichtserinnerung, die uns alle sehr beeindruckte. Referent war ein Mitarbeiter des Lutherhauses, Michael Weise. Die anschließende Diskussion zeigte, wie schwierig es ist, das Verhalten und die Leistung von Personen innerhalb einer vergangenen, geschichtlichen Situation zu erkennen und zu beurteilen.
Geprägt war das Zusammensein von großer Offenheit, der Wiedersehensfreude einiger Teilnehmenden, einer herzlichen Atmosphäre sowie einer sehr guten Organisation und Leitung.
Tabea Kormeier, Dresden
Sr. Gabriele Phieler, Eisenach
Dr. Sarah Hills als Canon für Reconciliation der Kathedrale von Coventry verabschiedet
/in Coventry, International, Nagelkreuzgemeinschaft, Personalia /von RedaktionSonntag, der 16. Dezember war ein trauriger Tag für die Kathedrale von Coventry und die weltweite Nagelkreuzgemeinschaft: Es hieß Abschied zu nehmen von Canon Dr. Sarah Hills, die vier Jahre lang das Versöhnungsteam an der Kathedrale geleitet hat und nun Coventry in Richtung der Insel Lindisfarne verlässt, wo sie die dortige Pfarrstelle und Pilgerarbeit übernehmen wird.
Die Deutsche Nagelkreuzgemeinschaft ist Sarah Hills für alles zu tiefst dankbar, das sie in den vergangenen Jahren für die Vertiefung und Weiterentwicklung des Versöhnungsnetzwerkes getan hat. Sie hat es zudem auf beindruckende Weise verstanden, ihre persönlichen und praktischen Erfahrungen mit Versöhnungsprozessen zusammenzubringen mit ihrer Gabe, diese Erfahrungen in Seminaren und Studienmaterial gehaltvoll und humorvoll weiterzugeben.
In ihrer letzten Predigt als Canon for Reconciliation rief Sarah Hills die Kathedralgemeinde und die gesamte Nagelkreuzgemeinschaft eindringlich dazu auf, nicht nachzulassen, das Nagelkreuz als ein Zeichen der gnädigen Vergebung Gottes zu ehren und darüber zu wachen, dass das Netzwerk weiter für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung betet und sich einsetzt.
Der Leitungskreis hatte auf seiner Sitzung im Oktober Gelegenheit, sich von Sarah Hills persönlich verabschieden. Am Sonntag hatte der Vorsitzende der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft, Oliver Schuegraf, nochmals die Möglichkeit, in Coventry persönlich die Grüße, den Dank und Segenswünsche aus Deutschland zu übermitteln.
Vergangenheits-bewältigung und Versöhnung
/in Coventry, Deutschland, International, Nagelkreuzgemeinschaft, Südafrika /von RedaktionIst friedliche Transformation von Gesellschaften denkbar?
Bewaffnete Konflikte hinterlassen tiefe Wunden in einer Gesellschaft. Um langfristig Frieden zu sichern und künftige Konflikte zu verhindern, ist neben der Wiederherstellung von Sicherheit und dem Wiederaufbau die Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppen erforderlich.
Das Bild zeigt ein Mädchen, das im UN-Hauptquartier in New York mit einer Blume den Opfern des Völkermords in Ruanda im Jahr 1994 gedenkt. Foto: UN Photo/Paulo Filgueiras
Die Erinnerung an die Opfer ist ein wichtiger Bestandteil der Vergangenheitsbewältigung. Wie hier im UN-Hauptquartier in New York wird den Opfern des Völkermords in Ruanda (1994) jedes Jahr am 7. April gedacht.
Bewaffnete Konflikte hinterlassen tiefe Wunden in einer Gesellschaft. Um langfristig Frieden zu sichern und künftige Konflikte zu verhindern, ist im Zuge der Friedenskonsolidierung neben der Wiederherstellung von Sicherheit und dem Wiederaufbau die Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppen erforderlich. Die Aufarbeitung und Bewältigung der Vergangenheit sowie die Schaffung von Gerechtigkeit sollen den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben legen. Wahrheitsfindung, Strafverfolgung und die Wiederherstellung der Würde der Opfer sind wichtige Schritte für die Beendigung von Feindschaften und Polarisierungen in Nachkriegsgesellschaften.
Die Vereinten Nationen fassen unter »Übergangsgerechtigkeit« (transitional justice) oder »Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit« alle Mechanismen, durch die eine Gesellschaft Vergangenheitsbewältigung unternimmt, mit dem Ziel, Täterinnen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen, Gerechtigkeit wiederherzustellen und Versöhnung zu erreichen. Dazu gehören Initiativen zu Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, institutionelle Reformen besonders im Justiz- und Sicherheitssektor, Entschädigungen für Opfer, Amtsenthebungen belasteter Personen (Lustration) sowie die Dokumentation von Verbrechen, Erinnerungs- und Bildungsarbeit.
Diese Maßnahmen sollen Straflosigkeit verhindern, Verbrechen aufklären und die Vergangenheit aufarbeiten, eine öffentliche Wahrnehmung der Opfer schaffen, Gewaltbereitschaft eindämmen, Menschenrechte stärken und das Vertrauen in Institutionen fördern. In der Praxis werden meist verschiedene Maßnahmen kombiniert: Unparteiische Wahrheitskommissionen können beispielsweise die strafrechtliche Verfolgung ergänzen. Zusätzlich sollten die Opfer materielle oder symbolische Entschädigungen erhalten.
Internationale Unterstützung von Versöhnungsprozessen
Der Weg zu einer friedlichen Transformation von Gesellschaften ist komplex und langwierig. Versöhnungsprozesse können Jahrzehnte andauern. Sie finden auf nationaler Ebene statt und lassen sich nicht von Außen erzwingen, eine internationale Unterstützung ist daher nur begrenzt möglich. Nur wenn die Opfer bereit sind, zu vergeben, wenn Täterinnen und Täter bereit sind, Verantwortung für begangene Taten zu übernehmen, lassen sich Feindschaften beenden. Aufgabe staatlicher Institutionen ist es, für die Anerkennung der Opfer und die Unterbindung künftiger Verbrechen Sorge zu tragen.
Internationale Nichtregierungsorganisationen und Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit sind in der Versöhnungsarbeit aktiv. Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) beispielsweise unternimmt Rechts- und Verwaltungsberatung in betreffenden Ländern (z. B. bei der Entschädigungsgesetzgebung) und unterstützt Wahrheitskommissionen, strafrechtliche Aufarbeitung (z. B. durch Prozessbeobachtung und die Ausbildung von Richtern) sowie lokale zivilgesellschaftliche Initiativen.
Beispiele der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit
Ein prominentes Beispiel stellten die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Neuere Beispiele der Strafverfolgung sind die Internationalen Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda. Wahrheitsund Versöhnungskommissionen, wie sie u. a. in Südafrika, Guatemala, Uganda, Sri Lanka, Sierra Leone und Timor-Leste eingesetzt wurden, sammeln die Stimmen von Opfern und Zeugen, führen thematische Untersuchungen sowie Analysen von Rechtsverletzungen gegenüber Frauen und Kindern durch, halten öffentliche Anhörungen und veröffentlichen einen Abschlussbericht. Auch in Deutschland gab es mit der der Enquête-Kommission zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur (1992-94) eine Wahrheitskommission. Reparationsleistungen an Holocaust-Überlebende oder die Zentrale des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR sind weitere Beispiele der Vergangenheitsarbeit in Deutschland.
Der im März 2010 von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon veröffentlichte Leitfaden legt Leitlinien, Bestandteile und Wege zur Stärkung der UN-Aktivitäten in der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit dar. Er hebt hervor, dass Programme der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit stets einzigartig sind und sich stark am jeweiligen länderspezifischen Kontext orientieren müssen. Eine Identifizierung der Konfliktursachen, der begangenen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen sowie der verwundbaren Gruppen ist essentiell. Darüber hinaus muss der Justiz- und Sicherheitssektor eines Landes berücksichtigt werden.
Die Umsetzung der Programme soll durch nationale und lokale Akteure erfolgen. Internationale Unterstützung muss sich auf die Entwicklung nationaler Kapazitäten richten, um die Länder in die Lage zu versetzen, Versöhnungsprozesse zu gestalten.
UN-Friedenssicherung und Versöhnungsarbeit
Im System der Vereinten Nationen kommt dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) eine führende Rolle in der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit zu. OHCHR-Länderbüros begleiten z. B. die Errichtung und Ausgestaltung von Wahrheitskommissionen und Initiativen zur Strafverfolgung mit Expertise und Beratung.
UN-Friedensoperationen nehmen heute vermehrt Aufgaben im Bereich der Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit wahr (in der Regel in Zusammenarbeit mit einer OHCHRRepräsentanz). Die meisten Friedenseinsätze verfügen über eine gewichtige Rechts-Komponente. Der Fokus liegt auf der Unterstützung beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Reformen im Justiz- und Sicherheitssektor. Rechts- und Menschenrechts-Komponenten der UN-Friedenseinsätze sowie politische UN-Missionen unterstützen darüber hinaus Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, Straftribunale oder Entschädigungsprogramme, u. a. in Libyen, Sierra Leone und Burundi.
Eine wichtige Rolle kommt der Strafverfolgung zu. In den 1990er Jahren setzte der UN-Sicherheitsrat die Strafgerichte für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Weitere Tribunale wurden in Kooperation mit den UN geschaffen, u. a. in Sierra Leone und Kambodscha, sowie der bedeutende Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Der Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat im Lauf seines 20-jährigen Bestehens 161 Personen angeklagt. Heute sind noch vier Prozesse abzuschließen. Auch in Ruanda dauert der schwierige Versöhnungsprozess nach dem Völkermord 1994 an. Mehr als 120.000 Personen wurden angeklagt und vor verschiedene Gerichte gestellt. Zusätzlich wurde eine Kommission für nationale Einheit und Versöhnung eingerichtet.
Strafgerichte sind bedeutend, Vergangenheits- und Versöhnungsarbeit ist jedoch auf mehrere Instrumente angewiesen. Sie ist langwierig und soll sie erfolgreich sein, ist die Bereitschaft in Gesellschaft, die Suche nach Wahrheit zuzulassen, Voraussetzung. Die internationale Gemeinschaft kann ihre Unterstützung anbieten und Versöhnungsprozesse begleiten.
Tina Schmidt für die DGVN,
Berlin
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. (DGVN) in Berlin. Sie setzt sich gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und der Politik für die Vereinten Nationen und die Vision von einer friedlichen und gerechten Welt ein. Mehr Informationen unter www.dgvn.de.
Meine Reise nach Coventry
/in Aktivitäten & Berichte, Jugendkonferenz, Nagelkreuzgemeinschaft /von RedaktionHallo liebe Nagelkreuzgemeinschaft, heute hören Sie mal von mir. Ich möchte Ihnen von unserer Reise nach Coventry erzählen.
Mittwoch, 26.09.2018
Es geht los, Herr Hunder, meine Töchter und ich sind freudig aufgeregt, denn wir fliegen nach England zum „International Gathering“, der Nagelkreuzgemeinden in Coventry. Bei strahlendem Sonnenschein landeten wir in Birmingham, und es sollte die nächsten Tage so bleiben, wunderbar.
In Coventry wurden wir herzlich begrüßt und am Abend gab es ein leckeres Buffet zum Kennenlernen. Das Programm der nächsten fünf Tage war intensiv, reichhaltig und abwechslungsreich von morgens 8:30 bis 21:00 Uhr. Man hätte nicht an allem teilnehmen müssen, aber wir wollten natürlich nichts verpassen.
Die beeindruckende, einzigartige Kulisse der Kathedrale, interessante Gespräche mit Menschen von aus fast allen Teilen der Welt (USA, Indien, Pakistan, Südafrika, Schottland, Kanada, Großbritannien, Österreich) und viel Spaß, machten dieses Treffen zu einem tollen Event. Die deutsche Gruppe war die größte, es gibt mittlerweile 68 Nagelkreuzzentren in Deutschland, womit sich bei uns die meisten Zentren befinden.
Beeindruckend war ein Abend an dem die gesamte Kathedrale nur mit Teelichtern beleuchtet war und man 1,5 Stunden zur Meditation, zum „zur inneren Ruhe kommen“, beten und oder einfach nur „auf sich wirken lassen“, Zeit hatte. Auch gab es an einem Abend in der Kathedrale die Möglichkeit mit einer Irish Folk Band Tänze zur Musik zu erlernen, sowie einen wunderschönen Konzertabend mit Opernsängern als Abschluss am Samstag.
Während der ganzen Zeit erfuhren wir immer wieder die liebevolle fürsorgliche Betreuung unserer Gastgeber durch englisches Essen und in netten Restaurants oder durch Lunchpakete in denen es an nichts fehlte. Eine perfekte logistische Leistung.
Emotional hat mich die Lesung der Litanei im Altarraum der Ruine durch Oliver Schuegraf bei strahlendem Sonnenschein und Bischof Christopher von Coventry im Abschlussgottesdienst am Sonntag berührt. Bischof Christopher betete das „Vater unser“ in deutsch, zu Ehren der deutschen Teilnehmer.
Meine Töchter Nina und Lara sowie ich danken allen, die uns diese wunderbare Möglichkeit der Begegnung, des Austausches und des Erlebens dieser versöhnlichen und friedvollen Stimmung ermöglicht haben.
Friede sei mit Ihnen Ihre Cornelia Bachmann
Jugendkonferenz in Coventry 2018
/in Aktivitäten & Berichte, Coventry, International, Jugendkonferenz, Nagelkreuzgemeinschaft /von Redaktion„Youth Gathering“ in Coventry/GB
Die Jugendkonferenz der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft fand von Sonntag, 29. Juli bis Freitag, 3. August 2018 in Coventry statt und bot eine einzigartige Gelegenheit, die Kathedrale von Coventry zu erleben, ihre Arbeit kennenzulernen, mit anderen gemeinsam zu leben, zu diskutieren und als junger Versöhner aktiv zu werden.
Umrahmt von den Kerngedanken der CCN, die Wunden der Geschichte zu heilen, mit
Verschiedenheit zu leben, Vielfalt zu feiern und eine Kultur des Friedens aufzubauen, beinhaltete die Tagung folgende Themen:
An der Konferenz nahmen junge Menschen aus Deutschland, Österreich, England, Amerika, Polen, Südafrika, Indien und Mauritius teil.
Bitte klicken Sie auf die folgenden Fotos für eine vergrößerte Ansicht.
Kreuzeskirche in Altessen: Standing Ovations für Zivilcourage
/in Aktivitäten & Berichte, Altenessen, Essen /von RedaktionBei einem bewegenden Fest in der Essener Kreuzeskirche wurden die Sieger des Awards für Streitkultur ausgezeichnet, den der Kreativunternehmer Reinhard Wiesemann gestiftet hatte. 250 geladene Gäste erlebten Selly Wane (32), Wirtschaftswissenschaftlerin, Cafébetreiberin mit senegalesischen Wurzeln und Initiatorin zahlreicher Integrationsprojekte, die den Hauptpreis des S.E.N.S.S.-Awards 2018 entgegen nehmen konnte. Das Schöne: Die Gewinner des zweiten und des dritten Preises, die vor ihr ausgezeichnet worden waren, applaudierten genauso frenetisch und begeistert, wie alle weiteren Gäste.
Mit Selly Wane wurde eine Frau ausgezeichnet, die sich ganz einfach weigerte, dem Druck bestimmter politischer Meinungen nachzugeben – einer Meinung, die es für verboten hält, mit dem politischen Gegner auch nur zu reden. Als Person of Colour, Betreiberin von Upcycling-Projekten in Afrika und von »Cooking Hope« in ihrem Café, wo Flüchtlinge Rezepte ihrer Heimat kochen, war sie nun wahrlich jeder Sympathie für die AfD unverdächtig. Dennoch entschloss sie sich, die Vertreter dieser Partei vor der Bundestagswahl genauso zu einer Veranstaltung in ihr Café einzuladen, wie die aller anderer Parteien – nicht aus Sympathie, sondern, wie sie sagt: »ich denen in die Augen sehen wollte und verstehen, warum sie denken, was sie denken.« Von Boykottaufrufen, Gewaltandrohungen und Diffamierungen ließ sie sich nicht davon abbringen. Ihr Credo: »Man muss sich einfach nach seiner Überzeugung verhalten. So.«
Rund um die Auszeichnungen erlebten die Gäste in der Kreuzeskirche ein Programm, das mit Theater, Musik, Diskussionen und Vorträgen um die Frage kreiste: »Können wir noch miteinander reden?«. Lehrer aus vollkommen unterschiedlichen Schulen diskutierten mit der Moderatorin Gisela Steinhauer über die Erfahrungen mit ihren jungen Schülern; Ali Can, Autor des Buches »Hotline für besorgte Bürger« erzählte, wie ihn die Bilder des bedrohten Busses mit Flüchtlingen in Clausnitz dazu brachten, aktiv zu werden… und auf Pegida- Demonstranten zuzugehen, anstatt sie anzuschreien (Schokoladenhasen erwiesen sich als sinnvolles Mittel zur Deeskalation).
Den ganzen Abend über hing auf der riesigen Leinwand in der Kreuzeskirche ein Zitat von Mahatma Gandhi über den Gästen: »Der Feind ist die Angst. Wir glauben, es ist der Hass, aber es ist wirklich die Angst.«
(stark gekürzt; wir danken Matthias Giese für die Möglichkeit des Abdrucks)
Dem Christus ähnlicher werden – bereit zur Versöhnung
/in Aktivitäten & Berichte, Nagelkreuzverleihung /von RedaktionDer Evangelische Kirchenbezirk Esslingen hat am Sonntag, 15. April 2018 zwei Nagelkreuze aus der Kathedrale in Coventry erhalten: eines ist zur festen Anbringung in der Esslinger Stadtkirche gedacht, das andere wird im Kirchenbezirk herumwandern, um die verschiedensten Veranstaltungen erkennbar zu machen, die den Versöhnungsgedanken verbreiten wollen. Die Verantwortung liegt beim Friedensarbeitskreis des Bezirkes. Seit 2015 haben Pfarrer Stefan Schwarz und Dr. Markus Geiger als Initiatoren diese Idee vorangetrieben und den Kirchenbezirk dafür gewonnen.
Damit ist der Kirchenbezirk in die weltweite ökumenische Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen, die über 200 Partner in aller Welt zählt. Deutlich wurde bei der Übergabe, dass man in Esslingen nun einen Auftrag erhalten hat, der mit Leben gefüllt werden muss:
Wunden der Geschichte heilen, mit Verschiedenheiten leben und die Vielfalt feiern sowie an einer Kultur des Friedens bauen – so lauten die Ziele dieser Versöhnungsarbeit.
Die Predigt von Canon Dr. David Stone, Coventry, zur Nagelkreuzübergabe finden Sie, inklusive der deutschen Übertragung durch Jost Hasselhorn, auf der website www. stadtkirchengemeinde-esslingen.de, bis zum 22. April als aktuelle Predigt.
Foto: Ulrike Rapp-Hirrlinger
v.l.n.r.: Ulrike Sämann, Siegfried Bessey, Canon Dr. David Stone, Jost Hasselhorn, Dekan Bernd Weissenborn
In Memoriam Pfr. i.R. Karl-Anton Hagedorn (Companion der Kathedrale von Coventry und ehemaliger Vorsitzender der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft)
/in Nagelkreuzgemeinschaft, Personalia, Rückblicke /von RedaktionWir trauern um den ehemaligen Vorsitzenden der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V. und Companion der Kathedrale von Coventry, Pfr. i.R. Karl-Anton Hagedorn, der am 1. März 2018 verstorben ist. Die deutsche Nagelkreuzgemeinschaft verdankt dem Verstorbenen viel. Ohne sein tatkräftiges Engagement wäre unser Verein nach dem Mauerfall nicht gegründet worden. Als unser erster Vorsitzender hat er unseren Verein und seine Ziele maßgeblich und nachhaltig geprägt und so der Vernetzung der deutschen Nagelkreuzzentren – zwischen West und Ost, aber auch Nord und Süd – eine neue Qualität gegeben, von der wir bis heute profitieren. Wir werden Karl-Anton Hagedorn in dankbarer Erinnerung behalten und unsere Gedanken und Gebete sind mit der Familie des Verstorbenen.
Aus Münster hat uns ein sehr persönlich gehaltener Nachruf erreicht, den wir hiermit gerne veröffentlichen.
Oliver Schuegraf
Vorsitzender der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft
Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus. Epheser 4, 32
Dieses Wort aus dem Epheserbrief, das die Versöhnungslitanei aus Coventry abschließt, steht über der Todesanzeige von
Karl-Anton Hagedorn,
der am 1. März 2018 im Alter von 91 Jahren verstarb. Der Vers umfasst sein Pfarrersein in der Gemeinde rund um die Versöhnungskirche in Münster von 1967 bis 1989.
Kurz nach dem Mauerfall war Karl-Anton maßgeblich an der Gründung der „Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland“ in Dresden beteiligt und wurde deren erster Vorsitzender. Er pflegte die Kontakte zwischen „Ost und West“ und begründete neue Nagelkreuzzentren in Stralsund und auf Hiddensee. Über Deutschland hinaus knüpfte er Kontakte zur Farmschule Baumgartsbrunn in Namibia, nach Mostar/Bosnien-Herzegowina und nach Modra in der Slowakei. Die Verbindung nach Coventry blieb lebendig durch Reisen und Besuchsgruppen sowie durch die gemeinsame Erarbeitung der deutschen Fassung der Lebensordnung.
Provost John Petty verlieh Karl-Anton Hagedorn die Berufung zum ‚Companion of the Cross of Nails‘.
Auf vielen evangelischen und katholischen Kirchentagen wurde die Versöhnungsarbeit vorgestellt, wobei das Basteln von kleinen Nagelkreuzen aus Hufnägeln großen Zulauf fand.
Der Gedanke der Versöhnung – überkonfessionell und international – fand sein Echo in unserem Gemeindeleben. Regelmäßig stattfindende Andachten, die aus der Gemeinde heraus mitgestaltet wurden, waren Karl-Anton lieb und wichtig.
Im Jahr 2007 hat die Stadt Münster zugelassen, dass die Apostelkirchengemeinde das Gemeindeleben der Versöhnungskirche beendete. Karl-Antons Einsatz für den Erhalt der Kirche war vergeblich. Dankbar war er, als das Nagelkreuz auf dem Altar der Andreas-Kirche in Münster-Coerde wieder einen würdigen Platz fand.
Unsere Familie Hasenburg war fest in der Gemeinde verwurzelt. Karl-Anton taufte, konfirmierte und traute unsere Kinder. Als Pfarrhelferin konnte ich zusammen mit ihm und den weiteren Mitarbeitenden im Team das Haus der Gemeinde gestalten.
Bis heute macht es mir Freude, die Versöhnung stiftende Arbeit in seinem Sinne fortzusetzen.
Adelheid Hasenburg
im März 2018