Neue Versöhnungsglocke für St. Nikolai, Cottbus

Das Nagelkreuzzentrum St. Nikolai hat eine neue Glocke. Am Nikolaustag 2022 wurde die neue Gebetsglocke der Gemeinde als „Nagelkreuzglocke“ geweiht. Das Nagelkreuz ist darauf in allen vier Himmelsrichtungen zu sehen und die Versöhnungsbitte auf Englisch, Deutsch, Polnisch und Wendisch zu lesen. In seiner Predigt zur Glockenweihe stellt Pfr. Dr. Uwe Weise die neue Glocke vor:

Liebe Gemeinde, wir haben eben unsere Glocken gehört – die Alten und die Neuen – erst einzeln und dann zusammen. … Wenn wir selbst nicht mehr beten können – weil wir es nicht gelernt haben, weil wir es vergessen haben, weil es uns suspekt geworden ist – dann beten diese Glocken, wenn sie läuten, immer noch für uns, stellvertretend, ob uns das gefällt oder nicht. Denn immer, wenn zu den Tageszeiten oder zum Gebet die Glocke III – unsere „Versöhnungsglocke“ – läutet, betet auf ihr das Gebet mit, das wir vorhin gemeinsam als Versöhnungslitanei von Coventry gebetet haben. … Da heißt es mit einem Wort des Apostels Paulus, geschrieben an die Gemeinde in Rom: „Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“ (Röm 3, 23)

Alle, liebe Gemeinde, wirklich alle, παντα (griech.), haben gesündigt – keiner kann sich ausnehmen – auch nicht der konditionsstärkste Versöhnungschrist, nicht der engagierteste Weltverbesserer, und schon gar nicht der klügste Allesversteher. „Alle haben gesündigt …“ und weil dieses Sündersein sich im Alltag ganz konkret auswächst, werden in gebundener Sprache quasi als sieben Kardinalsünden ganz konkrete Beispiele genannt – jede in einer Vergebungsbitte ausgeführt: Hass, Ausbeutung, Besitzgier, Neid, Kälte, Missbrauch, Hochmut – Alle haben gesündigt – auf die eine oder andere Weise und mit noch viel mehr Varianten als die sieben Beispiele andeuten. „Alle haben gesündigt …“, alle. Es gibt also nicht die Guten und die Bösen, nicht die Richtigen und die Falschen, nicht die Besseren und die Schlechteren. Es gibt immer nur – Menschen, Geschöpfe Gottes, die sich darin gleichen: „Alle haben gesündigt …“ Als Sünder sind wir menschlich und lassen wir uns nicht spalten, liebe Gemeinde. Das sagt uns dieses Gebet, diese Litanei, die in Zukunft mehrmals täglich vom Turm der Oberkirche für diese Stadt uns geläutet wird. …

Wir leben in einer Zeit, wo es wichtiger erscheint Recht zu haben, also richtig zu liegen, auf der richtigen Seite zu stehen. Dabei vergessen wir aber sehr schnell, dass das Richtigste ganz schnell zum Falschen werden kann. Und wenn man das nicht merkt und korrigiert, wird das einst Richtige, was zum Falschen geworden ist zu Terror.

Mit der Grundeinsicht aber „Alle haben gesündigt …“ – suche ich nicht, immer recht zu haben oder der Beste zu sein; mit dieser Grundeinsicht weiß ist, dass ich in allem Tun und Lassen mir meiner tiefen Vergebungsbedürftigkeit bewusst sein muss: „Vater, vergib!“ „Father, forgive!“ „Wóśce, wódaj nam!“ „Panie, przebacz nam!“ So steht es geschrieben auf unserer Versöhnungsglocke in die vier Himmelsrichtungen in Deutsch, Englisch, Wendisch und Polnisch. Vergebung, wie sie uns historisch nötig wurde und heute zwischenmenschlich konkret wird. Vergebungs-bedürftigkeit vielen gegenüber, aber auch anderer mir gegenüber. Das ist die tiefe Dimension unseres Lebens. Und sie gelingt nur, wenn wir dann auch noch den Schlussvers des Gebetes nicht vergessen. Wir – liebe Gemeinde – versinken ja nicht nur in unserer Vergebungsbedürftigkeit, wir werden von Gott gerade darin aufgerichtet, damit wir unserem gegenüber wieder frei in Angesicht schauen können – frei als Sünder und Versöhnter: So heißt es da im Brief an die Epheser: „Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus.“ (Eph 4, 32) …

Ein versöhntes Miteinander schließt das Wissen um das Sündersein mit ein – nur so bleibt die Bitte „Vater, vergib!“ nicht einseitig, leer und hohl. … Immer wenn diese Glocke läuten wird, werden wir daran erinnert und werden auf den Grund unserer Lebenstatsache gestellt: Das wir allein aus Gottes Vergebung leben. Wenn Glocke III täglich – früh, mittags und abends und zu anderen Anlässen – läutet wird, dann ruft sie uns Sünder – uns alle – in diese Versöhnungsarbeit, zur Versöhnung mit Gott und zur Versöhnung mit Menschen. Wir wollen dieser Arbeit gern dienen. Amen.

König Charles III. legt Kranz am Mahnmal St. Nikolai nieder

Bürgermeister Peter Tschentscher (links) und König Charles III. (rechts) während der Gedenkveranstaltung am Mahnmal St. Nikolai. Im Hintergrund Eva-Maria Tschentscher (links) und Königin-Gemahlin Camilla (mitte). Foto der Senatskanzlei Hamburg

König Charles III. und seine Frau Königin-Gemahlin Camilla haben am 31. März 2023 auf Ihrer Deutschlandreise auch das Mahnmal St. Nikolai in Hamburg besucht und einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der alliierten Luftangriffe auf Hamburg vor achtzig Jahren niedergelegt.

Begleitet wurde das Königspaar von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender sowie dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und seiner Frau Eva-Maria Tschentscher.
Die Gäste erhielten einen würdigen Empfang durch die Geschäftsführung des Förderkreises Mahnmal St. Nikolai e. V., Dr. Nele Fahnenbruck, sowie durch den Ersten Vorsitzenden des Vorstands, Dr. Martin Vetter. Nachdem der Hamburger Knabenchor gesungen hatte und die „Versöhnungslitanei von Coventry“ durch Bischöfin Kirsten Fehrs verlesen wurde, legten die Gäste Kränze und Blumen auf dem Platz des Mahnmals nieder. Anschließend begrüßten die Gäste auch die versammelten Vorstandsmitglieder und Mitarbeitenden des Mahnmals St. Nikolai und lauschten zum krönenden Abschluss Werner Lamm am Carillon.
Der Besuch des britischen Königs, des Bundespräsidenten und des Ersten Bürgermeisters anlässlich des Gedenkens an die Opfer der vor knapp achtzig Jahren als „Operation Gomorrha“ bekannten Bombardierungen Hamburgs ist eine ehrenvolle Würdigung – für das Mahnmal, aber auch für die Gedenk- und Erinnerungsarbeit, die von den vielen haupt- und ehrenamtlichen Menschen um das Mahnmal St. Nikolai in Hamburg geleistet wird.

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