Berichte aus der Nagelkreuzgemeinschaft und den Nagelkreuzzentren

25 Jahre Nagelkreuzzentrum im evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg

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In Memoriam Pfarrer i.R. Knut Soppa

Pfr. i.R. Knut Soppa

Wir trauern um den ehemaligen Kassenführer der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V. Pfr. i.R. Knut Soppa, der am 17. März 2021 in Berlin verstorben ist.

Als Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland haben wir mit Knut Soppa eines unserer Gründungsmitglieder verloren. Von Beginn an gehörte Knut Soppa zum Leitungskreis unserer Gemeinschaft und war als unser Kassenführer langjähriges Mitglied des Vorstandes. Noch ohne alle heutigen Medien verstand er es, uns auf unnachahmliche Weise die Finanzen unseres Vereins klarzulegen und verhalf uns so, unsere ersten Haushaltspläne zu beschliessen und finanzielle Entscheidungen treffen zu können. Während mancher Leitungskreis- und Vorstandssitzungen in Berlin konnten wir etwas von seiner großen Gastfreundschaft spüren. Und immer wieder gelang es ihm, uns mit seinen Erfahrungen und mit seinem Wissen um Zusammenhänge auf unserer Suche nach gemeinsamen Entscheidungen weiter zu bringen.

Von 1978 bis 2004 war Knut Soppa Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin. In dieser Zeit wurde die Gedächtniskirche Teil der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft (1988) und Knut Soppa hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kirche eines der bekanntesten Nagelkreuzzentren in Deutschland wurde. Viele Menschen sind durch einen Besuch in der Gedächtniskirche mit dem Nagelkreuz und der Versöhnung im Geiste Coventrys bekannt geworden. Knut Soppa ist es auch zu verdanken, dass sich über die Jahre intensive Kontakte zwischen Coventry und der Gedächtniskirche entwickelt haben. Gerne und wiederholt haben Bischöfe und Deans aus Coventry dieses Nagelkreuzzentrum besucht und in dem eindrücklichen Kirchenraum über die Versöhnung gepredigt.

Dass wir mit Knut Soppa ein weiteres Mitglied unserer “Gründerriege”verloren haben, macht uns einerseits traurig andererseits aber auch dankbar dafür, dass wir ihn in unserer Mitte gehabt haben. Mit allen, die ihm verbunden waren, wollen wir uns trösten lassen im Vertrauen darauf, dass wir ihn nach vielen Jahren auf dieser Seite des Lebens nun auf der anderen in Gottes Hand geborgen wissen dürfen.

Pfr. i.R. Hartmut Ebmeier (1999-2011 Vorsitzender der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft)

OKR Oliver Schuegraf (seit 2011 Vorsitzender der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft)

Ökumenische Versöhnungsgebete zu Hause erleben

Aus der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft heraus ist mehrfach der Wunsch nach geistlichem miteinander per Video stark geworden, um sich untereinander zu stärken und die Gemeinschaft der Versöhnungssuchenden trotz der allgemeinen Situation zu erleben.

Von zwei ökumenischen Angeboten wissen wir, vielleicht gibt es auch weitere Initiativen.

In Dachau wurde bei YouTube ein eigener Channel für die wöchentlichen Versöhnungsgebete eingerichtet: solange die KZ-Gedenkstätte geschlossen bleibt, wird regelmäßig freitags auf 12.30h eine weitere aktuelle Andacht eingestellt:

Evang. Versöhnungskirche Dachau – YouTube

Im Mittelpunkt dieser Andachten steht neben dem Versöhnungsgebet von Coventry die biographische Erinnerung an Verfolgte des Nationalsozialismus, zumeist an einen Häftling des Konzentrationslagers Dachau.

Die Verantwortlichen der Versöhnungsarbeit in Dachau freuen sich, wenn die Andachten von vielen in der Gemeinschaft wahrgenommen werden! Sie werden ja für längere Zeit verfügbar sein.

Jeweils am ersten Freitag des Monats, um 12.00 Uhr, treffen sich seit einiger Zeit per Videokonferenz Menschen aus der Internationalen Versöhnungsgemeinschaft (bisher: Amerika, Südafrika, Niederlande, Polen, Österreich, Indien, Großbritannien und Deutschland), um ein abwechselnd vorbereitetes Gebet miteinander zu sprechen. Diese Videokonferenzen sind zweisprachig (Englisch und Deutsch). Wer daran teilnehmen will – am 5. Februar oder im März – meldet sich bitte bei Oliver Schuegraf per eMail, damit sie/er die Zugangsdaten zur Zoom-Videokonferenz erhält.

Ökumenisches Gedächtnis der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und die Römisch-Katholische Erzdiözese München und Freising begingen den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau mit einer ökumenischen Andacht am 27. April 2020 zwischen 17 und 18 Uhr. Diese fand am authentischen Ort statt, in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem einstigen Gelände des Häftlingslagers, unweit des Krematoriums.
Da das Gedenken wegen der Corona-Krise nicht öffentlich sein konnte – geplant war ein großer Gottesdienst zum Befreiungstag mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Kardinal Reinhard Marx und Metropolit Augoustinos Lambardakis -, wurde die Andacht in einer deutschsprachigen und einer englischsprachigen Fassung aufgezeichnet. Das geschah auf Wunsch von Familien von Dachau-Überlebenden und von Veteranen, die als amerikanische Soldaten Dachau befreit hatten.

Im Mittelpunkt der Andacht stehen Zeugnisse der Dachau-Häftlinge Herbert Zipper, Jura Soyfer, Joseph Rovan und Karl Adolf Groß. Der Gesang der jungen Musikstudentin Sophie Aeckerle auf Deutsch, Griechisch, Englisch und Hebräisch verbindet das Gedenken an alle KZ-Opfer und die dankbare Erinnerung an die Befreiung vor 75 Jahren mit der Hoffnung auf eine Überwindung von Unrecht, Krieg und Not heute. Das Video wird am Mittwoch, 29. April 2020, um 17 Uhr veröffentlicht, in etwa zu der Zeit, zu der vor 75 Jahren US-Army-Einheiten die Häftlinge befreiten: www.bayern-evangelisch.de/75J.BefreiungDachau.

Für Kirchenrat Dr. Björn Mensing, Pastoralreferent Ludwig Schmidinger und Diakon Klaus Schultz, von unserem ökumenischen Nagelkreuzzentrum „Evangelische Versöhnungskirche“ und (katholische) „Todesangst-Christi-Kapelle“, die gemeinsam mit der Sängerin Sophie Aeckerle die Andacht gestalteten, war es von tiefer Bedeutung, dass zur selben Zeit an anderen Orten der Befreiung von Dachau gedacht wurde. Auf Initiative des Shoah-Überlebenden Zdeněk Pošusta in Prag, dessen Vater das KZ Dachau überlebt hatte, beteten in der Tschechischen Republik Oberrabbiner Karol Sidon und Bischof em. František Radkovský für die Opfer. Viele gute Wünsche zum einzigen „analogen“ Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung am authentischen Ort kamen gestern in Dachau an, aus den USA, aus Großbritannien, aus Polen, aus den Niederlanden und aus Deutschland. Der Dank für ihr Engagement von Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, war den Verantwortlichen der kirchlichen Gedenkstättenarbeit besonders wertvoll, ein bemerkenswertes Zeichen der jüdisch-christlichen Verbundenheit, gerade angesichts der schuldhaften Verstrickung der deutschen Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus.

MANFRED STOLPE – CHRIST UND MENSCH

In Potsdam in der Nagelkreuzkapelle der Garnisonkirche ist man betroffen, dass Manfred Stolpe, ein wichtiger Förderer der dortigen Versöhnungsarbeit, am 28. Dezember 2019 verstorben ist. Unser Ehrenmitglied Paul Oestreicher hat aus langjähriger Verbundenheit einen sehr persönlichen Nachruf geschrieben:

„MANFRED STOLPE – VERSÖHNENDER BRÜCKENBAUER“

Unsere Beziehung zu DDR Zeiten war eine kollegiale. Freundlichkeit und Sachlichkeit waren seine Hauptmerkmale. Er war Jurist und Verwaltungschef des Evangelischen Kirchenbundes der DDR. Zwei weitere Eigenschaften fallen mir dabei ein: Kompetenz und Selbstsicherheit. Er verlor nicht mehr Worte als notwendig waren, hatte aber immer Zeit für das Wesentliche. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wohl. Ich war der Osteuropabeauftragte des britischen Kirchenrates. Ökumenische Beziehungen und Menschenrechte waren mein Arbeitsgebiet. Freunde, auf Deutsch ‚per Du‘, wurden wir erst, als Manfred der heute hochgelobte Landesvater Brandenburg geworden war. Heute ist die Trauer seiner Familie und seines Landes auch meine.

Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen, die viel erreichen wollen und dementsprechend viel riskieren, sind in hoch politisierten Zeiten umstrittene Menschen. Das Staat-Kirchenverhältnis war in der DDR immer hoch politisiert und im Aufgabenbereich Stolpes riskant, jedenfalls riskant, es sei denn man entzieht sich der Stürme der Zeit und bleibt passiv. Das konnte dieser Konsistorialpräsident von seinem Wesen her nicht tun. Er war ein Macher mit erstaunlicher Gelassenheit, die als Überlegenheit erscheinen konnte. Beliebtheit hat er sich als Kirchenmann nicht zum Ziel gemacht.

Als Landes- und Bundespolitiker habe ich Stolpe nicht gekannt. Eine Einschätzung dieser zweiten Phase seines Lebens überlasse ich gerne der deutschen Öffentlichkeit. Seinen Nachruf in der Zeit kann ich aber empfehlen, jedenfalls den Teil, der sich mit seinem Wirken in der DDR befaßt, denn darin war ich ein gelegentlicher Mitstreiter. Sein umstrittener Einsatz für Menschenrechte habe ich z.T. begleiten dürfen. Ich weiß, was den Mann motivierte, sei es um die relative Freiheit der Kirche als Institution zu sichern oder gefährdete Personen und Gruppen, seien sie Christen oder nicht, nach Möglichkeit zu unterstützen. Das war ohne den Staat nicht möglich, und der Staat hieß meistens die Staatssicherheit.

Stolpe haßte jede Form von Konfrontation. Ein Ziel zu erreichen, ging nicht ohne Diplomatie. Diplomatie geht nicht ohne Kompromiß. Ein gutes Ziel rechtfertigt. Er hat es manchmal erreicht. Ich habe es direkt erlebt und mitgestaltet. Zusammen mit Bischof Fork hat er die Mutter der friedlichen Revolution Bärbel Bohley (und andere) aus dem Knast geholt und für sie sechs Monate Studienurlaub in England erstritten unter ihrer Bedingung, in die DDR zurück kommen zu dürfen. Letzteres paßte dem Staat gar nicht. Bärbel hielt sich nicht an die Bedingung, im Ausland nicht politisch zu agieren, also war der Staat nicht gewillt, sie wieder zurückkommen zu lassen. Stolpe hat das vereitelt, indem er sie pünktlich nach sechs Monaten schweigend in Prag abholte und über eine ‚Hintertür‘ in die DDR zurückbrachte.

Unter falschem Namen hat ihn die Stasi bestimmt abgeschöpft. Mich auch. Das war ein geringer Preis, hat mit Verrat nichts zu tun. Stolpe blieb ein treuer Sohn der Kirche sogar dann, wenn seine Arbeitgeber nicht immer genau wußten, was er tat. Stolpe hat niemals im Kalten Krieg die Seiten gewechselt. In dieser grauen Welt zu funktionieren, war mutig. Die Grenze zwischen Mut und Übermut war, zugestanden, hauchdünn. Die Stasi hat ihn nicht, und er sie nicht über den Tisch gezogen.

Marianne Birthlers Weigerung, im Nachhinein im Wissen um Stolpes Kompromisse nicht mehr mit ihm arbeiten zu wollen, beruht meines Erachtens auf das irrige (aber ehrenhafte) Prinzip, daß im totalitären Staat allein die ‚reine Weste‘ christlicher Nachfolge entspreche.

Der Vorwurf, Stolpe hätte zur Mauer nicht schweigen dürfen, war haltlos. Die Westmächte und die Bundesrepublik wußten, daß die Mauer eine tragische Notwendigkeit bleibt, bis the Sowjetunion die DDR fallen läßt. Fällt die Mauer, fällt die DDR. Fällt die DDR, droht ein Atomkrieg. So hat es mir Walter Ulbricht persönlich erklärt, und in fast den gleichen Worten der stellvertretende britische Militärkommandant Westberlins. Stolpe war Realist und gehörte damit zu den Verteidigern des Friedens. Die Dissidenten aber auch. Er versuchte sie auf seiner Art zu schützen.

Zuletzt noch Eines und das paßt in die Zeit nach dem Mauerfall. Stolpe als Bürger Potsdams setzte sich für die umstrittene Erneuerung der ehemaligen Garnisonkirche ein. Sie solle im Zeichen des versöhnenden Nagelkreuzes von Coventry ein Zentrum der Auseinandersetzung mit der unguten Geschichte werden, ein Friedenszentrum. Der nach dem Krieg erhaltene Turm, nun Heilig Kreuz Kirche genannt, solle als Nagelkreuzgemeinde neu entstehen. Von der SED zerstört, sei der wiederaufgebaute Turm auch städtebaulich sinnvoll.

Manfred Stolpe hat Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst ermutigt, eine Nagelkreuzgemeinde aufzubauen, was sie im besten Sinne tatkräftig unternommen hat. Vom Anfang an hat Manfred ihre Arbeit aktiv unterstützt. Letztlich schwer krank, mußte sich Stolpe zurückziehen, freute sich aber, daß der Turm nun wieder entsteht. Einen Bruch mit der Vergangenheit müßte es aber darstellen. Den Wiederaufbau der gesamten alten Garnisonkirche hielt er für falsch. Das versicherte er mir mehrmals. Die Stiftung, wie es jetzt scheint, ist anderer Meinung. Schade. Meinungsverschiedenheiten jeglicher Art zum Trotz würde Manfred ruhig lächelnd sagen ‚tut mit Freude der Stadt bestes.‘

MANFRED STOLPE – CHRIST UND MENSCH
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Ein Nachwort:
Zur Feier meines 80.Geburtstags kamen viele geliebte Menschen in meine Heimatstadt Meiningen. Viele hätten bei der Feier gerne etwas gesagt. Loblieder wünschte ich mir aber nicht. Nur zwei Menschen, zwei politische Christen, bat ich um kurze Worte: Heino Falcke und Manfred Stolpe. In ihrer klaren persönlichen Verschiedenheit stellten sie zwei Lebenswege dar, was es heißen konnte, Christ und Mensch in der DDR zu sein: ein sich ergänzender Segen.

Paul Oestreicher